Kein Vetorecht für einzelnen Bischof

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Die Kompetenz der Bischofskonferenz besteht in der gemeinsamen Wahrnehmung pastoraler Aufgaben für die Gläubigen eines bestimmten Gebietes, um das höhere Gut, das die Kirchen den Menschen gewährt, zu fördern, besonders durch Formen und Methoden des Apostolates, die den zeitlichen und örtlichen Umständen in geeigneter Weise angepaßt sind (vgl. c. 447). Dies kann, was die rechtliche Seite anlangt, in mehrfacher Weise verifiziert werden. Die wichtigste Form der Wahrnehmung dieser Aufgaben ist die Erlassung von Allgemeinen Dekreten, die den Gesetzen gleichgestellt sind und der Promulgation bedürfen.

Bezüglich des Zustandekommens solcher Dekrete unterscheidet der Codex Iuris Canonici 983 zwei Möglichkeiten: 1. Das universale Recht oder eine besondere Anordnung des Apostolischen Stuhles ermächtigt die Bischofskonferenz, derartige Dekrete zu erlassen. Diese müssen dann mit wenigstens Zweidrittelmehrheit der mit entscheidendem Stimmrecht ausgestatteten Mitglieder der Bischofskonferenz beschlossen werden (c. 455 §§ 1 und 2).

2. Besitzt die Bischofskonferenz keine der unter 1. angeführten Ermächtigungen, das heißt räumt ihr weder das universale Recht noch eine besondere Anordnung des Apostolischen Stuhles eine Vollmacht zur Erlassung eines Allgemeinen Dekrets ein, dann bedarf es, um ein solches ausstellen zu können, eines einstimmigen Beschlusses der Bischofskonferenz (c. 455 § 4). Der angezogene § 4 des c. 455 verweist auf § 1 eben dieses Canons, woraus klar hervorgeht, daß ein gemäß § 4 zu fassender Beschluß der Bischofskonferenz ein Allgemeines Dekret im Auge hat, das heißt eine gesetzesgleiche Norm mit Bindewirkung für den Bereich der gesamten Bischofskonferenz.

3. Es ist zu beachten, daß nur in diesem letztgenannten Fall ein einstimmiger Beschluß der Bischofskonferenz erforderlich ist; in den übrigen Fällen ist ein Mehrheitsbeschluß ausreichend.

In Liebe annehmen Neben der Erlassung von Allgemeinen Dekreten kann die Bischofskonferenz auch in anderer Weise tätig werden, indem sie eine Meinungsäußerung zu bestimmten Tagesfragen abgibt oder Beratungsvorgänge durchführt, wobei sie in letzterem Falle auch Experten aus verschiedenen Bereichen einladen kann. Ergebnis einer solchen Beratung ist jedenfalls eine Zusammenfassung von Ergebnissen (Protokoll), die keinerlei Bindewirkung aufweist, sondern als Empfehlung an die Bischofskonferenz selbst gedacht sein kann, allenfalls aufgrund dieser Beratungsergebnisse einen Beschluß zu fassen, der ein Allgemeines Dekret, oder auch eine Meinungsbildung zu einem bestimmten Gegenstand herbeiführen kann.

Daß für die Vornahme eines solchen Beratungsprozesses notwendigerweise Einhelligkeit der Beschlußfassung der Bischofskonferenz vorgesehen sein soll, ist aus dem Gesetzestext in keiner Weise ersichtlich. In diesem Zusammenhang schreibt ein Kommentator: "Mehrheitsentscheidungen, die nicht im juristischen Kompetenzbereich der Bischofskonferenz liegen, sollen die Bischöfe dennoch normalerweise aus dem Geist der Einheit und Brüderlichkeit akzeptieren, außer schwerwiegende Gründe würden ein anderes Verhalten nahelegen" (O. Stoffel).

Daraus ergibt sich, daß derartige, nicht dem Bereich der Allgemeinen Dekrete zuzuzählende Entscheidungen keiner Einhelligkeit der Beschlußfassung unterworfen sind. Es wäre ja widersinnig, für juristisch nicht bindende Entscheidungen der Bischofskonferenz eine größere Mehrheit zu verlangen als dies bei rechtlich bindenden Allgemeinen Dekreten der Fall ist, die im Normalfall einer Zweidrittelmehrheit bedürfen. Das Direktorium der Kongregation für die Bischöfe vom 22. Februar 1973 enthält in Nr. 212/b den Hinweis, daß Entscheidungen der Bischofskonferenz, die keine juristische Bindewirkung haben, mit Mehrheit beschlossen werden können, wobei dem einzelnen (widersprechenden) Bischof geraten wird, sich solche Beschlüsse "intuitu unitatis et caritatis erga confratres" (im Hinblick auf die Einheit und die Liebe gegenüber den Mitbrüdern) zu eigen zu machen.

Wenn das Gesagte schon für Entscheidungen der Bischofskonferenz gilt, die juristisch keine Bindewirkungen aufweisen, aber doch eine nach außen in Erscheinung tretende Willensbildung der Bischofskonferenz zum Ausdruck bringen, so muß dies erst recht für einen Beratungsprozeß Geltung haben, der ja zunächst nur den Zweck verfolgt, mit bestimmten Personen ein Gespräch zu führen und eine unverbindliche Meinungsbildung herbeizuführen.

Kein Veto möglich Es ist demnach rechtlich nicht möglich, daß ein einzelner Bischof einen juristisch nicht bindenden Beratungsvorgang der Bischofskonferenz durch sein Veto überhaupt unterbindet beziehungsweise die Einbeziehung bestimmter Personen oder Personenkreise von seiner Zustimmung abhängig macht. Ein Mehrheitsbeschluß der Bischofskonferenz ist für die Vornahme eines solchen Beratungsvorgangs ausreichend.

Zusammenfassend läßt sich demnach sagen: Beschlüsse der Bischofskonferenz, die keine rechtlich bindenden Materien betreffen, bedürfen hinsichtlich ihres gültigen Zustandekommens bloß der nach Maßgabe des Status der Bischofskonferenz erforderlichen Mehrheit, keinesfalls aber einer Einhelligkeit der Beschlußfassung.

Der Autor ist emeritierter Professor für Kirchenrecht an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien.

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