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Die Vision: ein grenzenloses Europa -nicht nur für Kapital, Güter und Dienstleistungen, sondern auch für den normalen Bürger

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Die Vision: ein grenzenloses Europa -nicht nur für Kapital, Güter und Dienstleistungen, sondern auch für den normalen Bürger

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So wie Maastricht ist Schengen zuerst einmal ein kleiner Ort im Nordwesten Europas. Wenn diese Orte aber mit Anführungszeichen verwendet werden, stehen sie für etwas anderes als eine bloße Ortsbezeichnung. So bezieht sich „Schengen” auf die zwei internationalen Übereinkommen, die von Deutschland, Frankreich, und den Beneluxstaaten am 14. Juni 1985 und am 19. Juni 1990 im luxemburgischen Schengen unterzeichnet wurden.

Wegfall der Grenzkontrollen In verschiedenen Dokumenten und Erklärungen ihrer Repräsentanten hatte die damalige EG schon vor 1985 verkündet, daß ein grenzenloses Kuropa nicht nur für Güter, Kapital, und Dienstleistungen gelten, sondern dieses grenzenlose Europa auch für den normalen Bürger spürbar sein solle, wenn er durch Europa reist. Wie so oft in der Geschichte der EG haben sich die damals zwölf Mitgliedstaaten aber nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können. Wie üblich war auch damals Großbritannien der gewichtigste - wenn auch nicht alleinige -Bremser.

Deutschland und Frankreich haben daraufhin die Initiative übernommen und gemeinsam mit den Beneluxstaaten versucht, wenigsten zwischen ihren Staaten Grenzkontrollen so weit als möglich abzuschaffen. Da dies damals im Bahmen der EG ' nicht möglich war, haben die oben genannten Staaten einen internationalen Vertrag beschlossen, der allerdings nur EG-Mitgliedsländern offenstand. Dadurch wurde ein erster Präzedenzfall für ein sogenanntes

„Europa der zwei Geschwindigkeiten” geschaffen.

Schengen I und Schengen II Schengen I, also der Vertrag vom 14. Juni 1985, enthält im wesentlichen nur Absichtserklärungen, wie die gemeinsamen Grenzen zwischen Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden schrittweise abgebaut werden sollen, ist aber im einzelnen relativ unverbindlich. Bereits Schengen I führte durch verschiedene Maßnahmen zu spürbaren Ubertrittserleichterungen an den betreffenden Grenzen, es wurde den Schengen-Ländern aber auch klar, daß es angesichts der auftretenden Schwierigkeiten (Sicherheitsdefizite) zur endgültigen Abschaffung der Grenzkontrollen noch zusätzlicher Maßnahmen bedürfe. Dies führte zur Unterzeichnung des Schengener Durch-führungsübereinkommens (Schengen II) am 19. Juni 1990. Schengen II bezieht sich auf die in Schengen I genannten Zielsetzungen, und regelt relativ detailliert und verbindlich, wie eine endgültige Abschaffung von Grenzkontrollen erreicht werden solle, und welche zusätzlichen Maßnahmen notwendig sind, damit die Abschaffung der Grenzkpntrollen nicht zu einer Erleichterung grenzüberschreitender Verbrechen bzw. zu steigender illegaler Einwanderung führt.

Laut dem zweiten Schengener Abkommen (Artikel 2) dürfen die Binnengrenzen an jeder Stelle und ohne Personalkontrolle überschritten werden. Dies gilt auch für Flughäfen, was in vielen Fällen auch bauliche Maßnahmen (beispielsweise getrennte Abfertigungsschalter) erforderte, um zu garantieren, daß Intra-Schengen-Flüge genauso wie Binnenflüge behandelt werden.

Visa und Asyl: Nur bedingte Einheitlichkeit

Gleichzeitig verpflichteten sich die betroffenen Staaten, ihre Außengrenzen verstärkt zu kontrollieren, und verbindliche und einheitliche Kriterien für diese Kontrollen zu beachten. Auch erforderte der Wegfall der Grenzkontrollen zwischen den Schengen-Ländern eine einheitliche Visapolitik, die aber nur teilweise erreicht wurde. So wurde gemeinsam eine Liste von Ländern erstellt, für die ein einheitlicher Sichtvermerk für kurzfristige Aufenthalte (bis zu drei Monaten) erforderlich ist, und gemeinsame Regeln für die Erteilung dieser Visa wurden beschlossen. Die Erteilung längerfristiger Visa blieb jedoch nach wie vor dem Ermessen der jeweiligen Staaten vorbehalten. Auch regelt Schengen das Asylrecht nur insofern, als es eindeutig festschreibt, welcher Staat für einen bestimmten Asylantrag zuständig ist, die materielle Ausgestaltung des Asylrechts bleibt jedoch weiterhin im Kompetenzbereich der Staaten.

Das Schengener Informationssystem

Das Schengener Informationssystem (SIS) wird vielfach als Kernstück von „Schengen” bezeichnet. Es besteht aus einer zentralen Datenbank, die sich in Straßburg befindet, und den jeweiligen nationalen Einheiten, die mit dem Zentralcomputer online verbunden sind. Im SIS werden neben Daten von Personen, die zur Verhaftung ausgeschrieben sind, auch Drittstaatsangehörige, denen die Einreise verwehrt werden soll, vermißte Personen, gestohlene Kraftfahrzeuge, und ähnliches gespeichert. Durch die permanente Verbindung der nationalen Einheiten des SJS mit dem Zentralcomputer wird gewährleistet, daß nationale Sicherheitsbehörden bzw. Zollbeamte beim Zugriff auf das SIS immer auf dem letzten Stand sind. Es gab allerdings gewisse Schwierigkeiten bei der Installation des SIS. Einerseits kam es zu Verzögerungen im Zuge der Angleichung aller nationaler Daten, um sie SIS-kompatibel zu gestalten, andererseits hat sich mittlerweile die Zahl der Länder, die Parteien der Schengener Verträge sind, deutlich erhöht, wodurch der Zentralcomputer in Straßburg an die Grenzen seiner Kapazität stieß. Die Schengen-Länder haben auch eine eigene Datenschutzbehörde geschaffen, die sich aus Vertretern der nationalen Kontrollinstanzen zusammensetzt. Weiters wwde eine vermehrte Kooperation zwischen den einzelnen nationalen Sicherheits-behörden vereinbart, die in bestimmten Fällen auch ein Agieren von Exekutivbeamten über das eigene Staatsgebiet hinaus ermöglicht. In diesem Bereich waren die einzelnen Staaten jedoch nicht bereit, wesentliche Abstriche von ihrer diesbezüglichen Souveränität zu machen. Dies schlägt sich in den sehr detaillierten und komplizierten Bestimmungen in diesem Bereich nieder.

Unterzeichner- und anw enderstuten Die Tatsache, daß ein EU-Land Partei zu den Schengener Verträgen wird, heißt noch nicht, daß damit automatisch die Grenzkontrollen zwischen diesem Land und anderen Schengen-Ländern wegfallen. Nicht jeder Unterzeichnerstaat ist also auch Anwenderstaat. Bei der Anwendung von Schengen II kam es schon bei den ursprünglichen Unterzeichnerstaaten zu Verzögerungen, schließlich trat es am 26. März 1995 dann aber doch in Kraft.

Derzeit gilt es für Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Portugal und Spanien. Italien, Griechenland und Österreich haben die Schengenabkommen unterzeichnet, wenden sie aber noch nicht vollständig an. Diese Länder sind zwar Vertragsparteien, arbeiten über das SIS schon mit den anderen Schengen-Ländern zusammen, zu einer Aufhebung der Grenzkontrollen kam es aber noch nicht. Bei der schon für 1996 geplanten Teilnahme Österreichs gab es zuerst Probleme mit dem SIS, was der offizielle Grund für die Verschiebung war. Vor allem Deutschland hatte aber auch massive Bedenken, was die Durchlässigkeit der österreichischen EU-Außengrenzen zu seinen östlichen Nachbarländern betraf. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird ab Oktober 1997 „Schengen” auch für Österreich (und vielleicht für Italien) in Kraft treten. Die Entscheidung über die Aufhebung der Grenzkontrollen fällt der Schengener Exekutivausschuß, in dem alle beteiligten Begierungen einstimmig entscheiden.

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