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Die Aufgabe dieses Jahrhunderts

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Kaum ein Thema lädt heute derart stark zu einer emotionalen Behandlung ein wie das der Entwicklungshilfe. Auf diesem Gebiet tun sich Berufene und Unberufene um, und an die Stelle einer ruhigen, sachlichen Auseinandersetzung tritt oft das Aufputschen von Leidenschaften. Dabei wird übersehen, daß die Probleme der Entwicklungshilfe nicht auf dem Weg der Revolution — auch nicht mittels einer „Theologie der Revolution“! — zu lösen sind, sondern nur in ernster Betrachtungsweise, die sowohl der moralischen wie auch der — oft übersehenen — ökonomischen Dimension der Entwicklungshilfe gerecht wird.

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Kaum ein Thema lädt heute derart stark zu einer emotionalen Behandlung ein wie das der Entwicklungshilfe. Auf diesem Gebiet tun sich Berufene und Unberufene um, und an die Stelle einer ruhigen, sachlichen Auseinandersetzung tritt oft das Aufputschen von Leidenschaften. Dabei wird übersehen, daß die Probleme der Entwicklungshilfe nicht auf dem Weg der Revolution — auch nicht mittels einer „Theologie der Revolution“! — zu lösen sind, sondern nur in ernster Betrachtungsweise, die sowohl der moralischen wie auch der — oft übersehenen — ökonomischen Dimension der Entwicklungshilfe gerecht wird.

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Es ist daher zu begrüßen, daß die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) vor einiger Zeit den ehemaligen kanadischen Ministerpräsidenten und Friedensnobelpreisträger Lester B. Pear-son beauftragt hat, mit einer Gruppe hervorragender Experten eine Bestandsaufnahme der Entwicklungshilfe vorzunehmen und darüber zu berichten. Pearson hat sich dieser Aufgabe nicht nur mit Fachkenntnis, sondern auch mit dem Bemühen um größtmögliche Objektivität unterzogen, und so ist daraus ein Zeitdokument entstanden, das lesenswert ist. Allerdings, die Fanatiker und Propheten haben die Lektüre eines solchen Dokuments nicht nötig, sie weichen lieber in die Phrase aus ... Schon der erste Satz weist die Richtung: „Die immer größer werdende Kluft zwischen Industrie und Entwicklungsländern ist zu einem zentralen Problem unserer Zeit geworden.“ Mehr als 100 Länder sind als Entwicklungsländer anzusprechen, sie sind die Heimat von zwei Dritteln der Menschheit! Damit wird auch die Größenordnung sichtbar. Der Bericht läßt keinen Zweifel daran, daß sowohl Entwicklungsländer als auch Industriestaaten gemeinsam aufgerufen sind: zur Entwicklung einer Entwicklungsstrategie, zu vermehrten eigenen Anstrengungen, zur Beachtung gewisser Grundregeln und Aufgabenstellung. So läßt dieser Bericht auch keinen Zweifel daran, daß — man hört das verschiedentlich nicht gerne — die Entwicklungsländer selbst größere und intensivere Anstrengungen unternehmen müssen als bisher. Der Bericht appelliert aber auch an die Industriestaaten, durch mehr Freizügigkeit im Handelsverkehr den Entwicklungsländern eine Chance zu geben. Er verweist auf die große Bedeutung eines organischen Aufbaues, insbesondere der Landwirtschaft, und zeigt auch auf, wieviel schon dank der „Grünen Revolution“, dem Fortschritt in der Agrarwirtschaft, verbessert werden

konnte. Mangelhafte Ernährung sei hauptsächlich eine Folge von Unwissenheit und schlechten Ernährungsgewohnheiten, heißt es ausdrücklich an einer Stelle. Auch wird der oft aus Prestigeerwägungen überdimensionierten Idustrialisierung der Entwicklungsländer — unter gleichzeitiger Vernachlässigung der Landwirtschaft — entgegengetreten. Der Bericht unterstreicht auch die Bedeutung der ausländischen Investitionen in Entwicklungsländern, die aber jenen Schutz genießen müssen, wie er in zivilisierten Ländern üblich ist. Das sind nur einige Punkte aus diesem umfassenden Kompendium, das in einem Anhang auch die Problematik der einzelnen Entwicklungsländer aufzeigt.

Unbestritten, auch das gibt der Pearson-Bericht zu.Es ist- derzeit eine gewisse Resignation und Stagnation — auf beiden Seiten, in den industrialisierten Staaten wie in der Dritten Welt — zu beobachten. Aber mit primitiven, noch so gut gemeinten Parolen, wie sie kürzlich etwa der Exkleriker Ivan Illich in Wien und Salzburg wieder vor seinem Publikum ausbreitete, kann man diese „Aufgabe des Jahrhunderts“ nicht bewältigen.

DER PEARSON-BERICHT. Bestandsaufnahme und Vorschläge zur Entwicklungspolitik. Verlag Fritz Molden, Wien—München—Zürich. 480 Seiten. S 160.—.

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