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Gefahr durch falsche Leitbilder
Alle diese und einige andere Phasentheorien haben ihren Kredit verloren, seit die Gefahr einer Welthungerkatastrophe am kurzfristigen Entwicklungshorizont auftauchte. Ein auf Jahrzehnte angelegtes Entwicklungsschema ist kaum anwendbar, wenn wir mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß die Menschheit in zehn oder fünfzehn Jahren, vielleicht noch früher, auf der Erde nicht genug Nahrung finden und in ein gigantisches Drama des Hungers hineinwachsen würde, dessen Folgen unausdenkbar wären. Selbst die gegenwärtige Lage, in der der würgende, mörderische Hunger nur sporadisch auftritt, ist beängstigend.
Die falschen Leitbilder, der unkritische Glaube an die wohltätigen
Wirkungen der Industrialisierung und Urbanisierung können zu verhängnisvollen Irrtümern und unter Umständen zu schweren Schädigungen und nicht wiedergutzumachenden Zerstörungen führen.
Der Berg und der Prophet
Kommt der Berg nicht zum Propheten, so muß der Prophet zum Berg kommen.
Es ist Sache der westlichen Techniker, der westlichen Wirtschaftsdenker, der westlichen Städteplaner, der westlichen Agronomen, den Völkern der Entwicklungsländer entgegenzukommen. Die Opfer der Unterentwicklung können auf keinen Fall mit Erfolg Methoden übernehmen, die ihrem Fassungsver mögen, ihrer Vorbildung, ihrer Denkweise unzugänglich sind.
Wir müssen unsere Methoden den Verhältnissen der Entwicklungsländer anpassen, unsere Technologie, unsere Planungssysteme, unsere Methodik der Sozialforschung auf das Milieu der Dritten Welt abstellen.
Diese Bemühungen, eine Brücke zur technisch und wirtschaftlich unterentwickelten Menschheit zu finden, erfordern genaue Kenntnis der Welt, der wir uns nähern wollen, Kenntnis, die nur von den unmittelbar Beteiligten, das heißt von den Entwicklungsvölkern selber, stammen kann. Die Selbstdarstellung, die Selbstaussage der Dritten Welt muß gesucht, gefördert, interpretiert werden.
Es gibt heute einige Ansätze zu einer solchen systematischen Förderung der Selbstbekundung der Entwicklungsländer. Das Wiener Institut für Entwicklungsfragen, das vor zwei Jahren gegründet wurde, hat sich die besondere Aufgabe gesetzt, die Selbstaussage der Dritten Welt, den Kontakt zwischen „Entwickelten“ und „Unterentwickelten“ auf der Grundlage gegenseitiger Zuwendung zu bewirken. Eine erste praktische Anwendung dieses Prinzips stellt ein Vorschlag dar, einen ständigen Wettbewerb für Erfindungen im Dienste der Landwirtschaft der Entwicklungsländer auszuschreiben; die Weltorganisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) soll dafür sorgen, daß die preisgekrönten Erfindungen in Entwicklungsländern industriell hergestellt werden. Hier können die Techniker und Agronomen, die der Dritten Welt angehören oder ihr durch jahrelange Kleinarbeit verbunden sind, die Bedürfnisse der unterentwickelten tropischen Landwirtschaft zum Ausdruck bringen und zugleich Lösungen für die gestellten Probleme suchen.
Einen anderen Ansatz bietet das von Josuė de Castro geleitete Centre International de Dėveloppement, das in Monaco eine internationale „Entwicklungsuniversität“ aufbauen will, die durch Lehre und Forschung die moderne Wissenschaft und Technik aus der Sicht der Entwicklungsländer und in Hinblick auf ihre Bedürfnisse umzudenken bestrebt ist.
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