Unser tägliches Brot gib uns heute

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"Ernährung sichern - weltweit" ist der neueste Bericht an die Global Marshall Plan Initiative über die gerechte Verteilung von Lebensmitteln.

Bereits auf den ersten Seiten des Buches "Ernährung sichern - weltweit" von Franz-Theo Gottwald, Vorstand der Schweisfurth-Stiftung, Theologe und Philosoph und dem Herausgeber Franz Fischler, Präsident des Ökosozialen Forums Europa, ist von Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit die Rede. Liest man dann von einem allgemeinen Ziel wie etwa: "Das Grundrecht auf Nahrung soll einklagbar und in alle Verfassungen eingebracht werden", so regt dies zum Denken an. Es ist hinlänglich bekannt, dass Millionen von Menschen auf der Welt nicht so nebenbei in den Supermarkt gehen können, um sich ihre Nahrungsmittel zu kaufen. Aber dass Hunger eine mögliche Todesursache sein kann, können sich nur die wenigsten Menschen in den Industriestaaten wahrhaftig vorstellen.

Und davon handelt dieses Buch: Dass es Menschen auf der Erde gibt, die sterben müssen, weil sie zu wenig zu essen bekommen, und dass es andere Menschen auf der Welt gibt, die theoretisch die Möglichkeit haben, dies zu verhindern, aber nichts tun. Es werden ausreichend Lebensmittel auf der Welt produziert, es fehlt also vielmehr an der nötigen Einstellung, und hierbei ist vielleicht auch die Sozialisation in einer neoliberalen Marktwirtschaft schuld. Da die Idee der Gewinnmaximierung und das Eigenwohl auf der Prioritätenliste höher stehen als nachhaltiges Wirtschaften und gerechte Lebensbedingungen für wirklich alle auf der Welt.

Agriculture vs. Farming

Das Buch geht in drei Teilen auf die nachhaltige Ernährungssicherung ein: Herausforderungen und institutionelle Ansätze der Politik, Erfolgsbeispiele für den Institutionenaufbau und Vorstellungen zur Zukunftsgestaltung der Land- und Ernährungswirtschaft aus Sicht der Global Marshall Plan Initiative. Eine Reihe von Experten widmen sich verschiedensten Ernährungs-Themen beginnend mit Fischler. Sein Bericht über die europäische Landwirtschaftspolitik geriet zu einer Lobpreisung der Europäischen Union. Die nötige Distanz für einen kritischen Diskurs fehlt. Es wäre besser gewesen, wenn jemand anderer als einer der Hauptakteure des Umbaus der EU Agrar-Subventionen sich des Themas angenommen hätte. Nichtsdestotrotz ist Fischler die Unterscheidung zwischen Agriculture und Farming, also zwischen dem nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen im Gegensatz zur industriellen Produktion von Lebensmitteln, zu Gute zu halten. "Die Biomasse ist ein wichtiger Hoffnungsmarkt für die Landwirtschaft." Hier wäre mehr Kritik angebracht gewesen, denn die Biomasse wird schon längst nicht mehr als Allheilmittel betrachtet und kann nur lokal eingesetzt (produziert und konsumiert) zu einer echten nachhaltigen Energiewende beitragen.

Armer reicher Exporteur

Das Wort Gerechtigkeit ist der rote Faden durch das Buch. Am Beispiel von Thailands Reisproduktion wird deutlich, dass ein steigendes Bruttoinlandsprodukt noch lange keine Reduktion der Armut zur Folge haben muss. Der größte Reisexporteur der Welt schafft es nicht, seine eigenen Leute gut zu ernähren. 40 Prozent der Landbevölkerung leben unter der Armutsgrenze, und obwohl der Export von Lebensmitteln zwischen 1995 und 2000 um 52 Prozent gestiegen ist, stieg die durchschnittliche Verschuldung der Bauern um 51 Prozent.

Dieses Beispiel sitzt. Das Buch wartet aber auch mit Positivem auf. Das vergangene Jahrhundert sah vor allem in den armen Regionen eine Landflucht. Um dem entgegenzuwirken, versuchen viele Entwicklungshilfeprogramme mit Bildungsprogrammen aus dem Westen den Aufholprozess der armen Regionen zu beschleunigen. Doch diese in Städten erdachte Bildung ist oft nur mangelhaft an die Bedürfnisse der ländlichen Bevölkerung angepasst und schlägt fehl. Am Beispiel der Entwicklungsschulen der Stiftung FUNDAEC wird deutlich, wie man Bildung neu denken kann, das heißt vor allem die Betroffenen einbinden und nicht nur Modelle aufoktroyieren. Im Mittelpunkt steht der Handlungsoutput und nicht der Wissensinput. Somit wird Wissen gelehrt, das nicht nur in der Theorie seine Berechtigung hat, sondern das hilft, das Leben am Land eigenverantwortlich gestalten zu können.

Am Ende bleibt die Frage nach der Umsetzung der beschriebenen guten Ansätze, um die Ernährungssituation zwischen Armen und Reichen fairer zu gestalten. Denn Weltoffenheit und der Gerechtigkeitssinn enden zumeist beim Öffnen der Geldbörse oder beim Willen, Budgetmittel zu binden.

ERNÄHRUNG SICHERN - WELTWEIT

Ökosoziale Gestaltungsperspektiven Bericht von Franz-Theo Gottwald & Franz Fischler (Hg.) u. a. an die Global Marshall Plan Initiative

Murmann-Verlag, Hamburg 2007

272 Seiten, geb., € 18,50

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