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Wählt Peru den Bei ami?

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Lateinamerika schwankt weiter zwischen Militärdiktatur und Demokratie. In Argentinien haben die Generäle vor 14 Monaten den Präsidenten Doktor F r o n d i z i, in Peru vor 10 Monaten den Präsidenten Dr. P r a d o — kurz vor dem Ende seiner Amtszeit — gestürzt. Da aber derzeit die Demokratie — mindestens theoretisch — als die einzig zulässige Regierungsform in Lateinamerika gilt, können sich die Diktatoren international nur halten, wenn1 sie ihre Gewaithesobff <V6vi vornherein selbst begrenzen. ;So sind „Wahlen“ anberaumt — in Peru für den 9. Juni und in Argentinien für den 7. Juli.

Nun haben sich dieselben Kandidaten (— mit einer Ausnahme —) auch bei den Wahlen vom 10. Juni 1962 um die Präsidentschaft beworben. Nur zwei der elf Millionen Peruaner sind wahlberechtigt, weil sie lesen und schreiben können. Obwohl die Indios Analphabeten sind, konnte ihr „Inte-grations-Prophet“, der Führer der

Apristen-Partei, Haya de la Torre, die meisten Stimmen, aber nicht ein Drittel erzielen. Nach peruanischem Verfassungsrecht hatte also das Parlament den Präsidenten zu bestimmen. Ehe es das tun konnte, zwangen die Generäle den Präsidenten Dr. P r a d o

zur Emigration. Nach dem Gesetz der Diktatoren mußte dann der erste Mann des Regierungsausschusses (der redselige General Ricardo Perez Go-doy) dem zweiten Mann (dem schweigsamen General Nicolas Lindkey Lopez) Platz machen. Im übrigen tat die Militärregierung das Beste, was man von ihr erwarten konnte: nichts. Sie folgte nur dem Zuge der Zeit, indem sie die Agrarreform proklamierte, ohne sie zu verwirklichen. Während abe* 'der Rücktritt von Quadros in &#9632;Brasilien und die Absetzung Dr. Fron-dizis in Argentinien zum Sturz der Währung führte, blieb die peruanische fest. (Der peruanische Sol wird mit 27 Soles pro Dollar notiert, er ist zu 37 Prozent mit 110 Mill. Dollar Gold und Devisenreserven gedeckt.) Die Exporte erreichten 1962 die Rekordhöhe von 500 Millionen Dollar.

Der behäbige Revolutionär

Die Militärregierung behauptete, nur dem Wahlschwindel entgegengetreten

zu sein. Sie verbot zwar die Kommunisten und Trotzkisten, gegen die sie eine Verhaftungsaktion größten Stils durchführte, ließ aber den Apristas die Presse- und Vereinsfreiheit. Dadurch ist Haya de la T o r r e, der verhinderte Sieger des Vorjahres, wieder auf der

politischen Bühne erschienen. Gewiß hat er die APRA vor 40 Jahren als die erste nationalistische Revolutionspartei des Kontinents begründet und ist mit ihr — vor allem bei dem blutigen Bürgerkrieg in der Stadt Trujillo 1932 — auf die Barrikaden gegangen. Aber schon seit über 20 Jahren ist aus dem „Kämpfer gegen den nordamerikani-

sehen Imperialismus“ ein Freund Washingtons und aus dem fanatischen Revolutionär ein behäbiger Bürger geworden.

Ein Bonvivant am Regierungsruder?

Er hat meist in der Emigration gelebt. Die Generäle haben ihn nach den Wahlsiegen von 1946 und 1962 so wenig an der Macht gelassen wie 1931 und 1936. Als General Manuel Odria 1948 die „Apra“ von der Regierung vertrieb und seine Diktatur errichtete, verweigerte er Haya de la Torre entgegen dem internationalen Asylrecht in Lateinamerika den Geleitbrief aus der kolumbianischen Botschaft in Lima, bis er nach 5 Jahren zu ihm durch das Urteil des Haager Schiedsgerichts gezwungen wurde. Aber während die Generäle heute noch nicht Haya de la Torre verziehen haben, was er dem Heer vor 30 Jahren antat, hat er Odria die fünfjährige illegale Haft bis vor zehn Jahren verziehen. Als ihn die Generäle im vorigen Jahr nicht an die Präsidentschaft ließen, wollte er sich mit Odria einigen, und auch jetzt werden Gerüchte verbreitet, nach denen Haya de la Torre im letzten Moment auf seine Kandidatur verzichten und seiner Partei geheim die Weisung erteilen könne, für Odria zu stimmen, obwohl der Ex-Diktator durch Krankheit körperlich und geistig wenig beweglich ist.

Als aussichtsreichster Kandidat wird der Architekt Fernando Belaünde Terry angesehen. Im Vorjahr erzielte er für seine „Acci6n Populär“ 544.000 Stimmen — gegen 557.000 der Apra und 480.000 von Odria. Der Vorsprung von Haya de la Torre betrug also nur 14.000 Stimmen. In diesem Jahr hat Belaünde sich mit den Christlichdemokraten, die im vorigen Jahr 50.000 Stimmen bekamen, verbündet. Außerdem stimmen die inzwischen illegal gewordenen Kommunisten, die im Vorjahre 34.000 Stimmen zählten, für Belaünde, nicht weil sie ihn lieben, sondern weil sie Haya de la Torre hassen. Wenn Haya de la Torre nicht im letzten Moment zugunsten von Odria verzichtet, liegt also Belaünde im Rennen um die Präsidentschaft an dci Spitze.

Mit ihm käme ein typischer Bonvivant auf die politische Bühne seines Landes. Jedes peruanische Mädchen wird unruhig, wenn er, mit den schönen Augen Blitze schießend, auf den Armen von vier starken Männern, einen roten Blumenstrauß im Arm, während der Wahlcampagne ins Heimatdorf getragen wird. Schwerer ist es schon zu verstehen, daß sich auch Geschäftsleute und Intellektuelle von seiner phrasenhaften Ideologie, mit der „der Architekt des neuen Peru“ die „Rückkehr zu den Wurzeln des alten Peru“ proklamiert, überzeugen lassen.

Wenn nicht — entgegen allen Voraussagen! — Haya de la Torre wiedergewählt wird, dürfte es also mit der „peruanischen Demokratie“ am 9. Juni glänzend klappen. Sonst freilich dürften sich die patriotischen Generäle wieder zu einem Putsch gezwungen sehen, „um das Vaterland zu retten“.

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