Kein Platz für ängstliches Mauern

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Aus Sicht der Industrie hat die Beschäftigung von Spezialisten aus dem Ausland auch enorme strategische Bedeutung. Netzwerke werden geknüpft, die einen langfristigen Nutzen für Österreich bringen.

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Aus Sicht der Industrie hat die Beschäftigung von Spezialisten aus dem Ausland auch enorme strategische Bedeutung. Netzwerke werden geknüpft, die einen langfristigen Nutzen für Österreich bringen.

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Die Debatte. Green-Card auch für Österreich?

zum thema. Grünes Licht für die Green-Card? Rund 55.000 Computer- und Netzwerk-Spezialisten fehlen heuer in Österreich. Das ergibt eine gemeinsame Studie der Marktforschungsunternehmen IDC mit dem Softwarekonzern Microsoft. Bis 2003 soll die Lücke auf 85.000 wachsen. Obwohl diese Zahlen auch auf erhebliche Skepsis stoßen, ist ein grundsätzlicher Fachkräftemangel in der Computerbranche nicht zu leugnen.

Deutschlands Bundeskanzler Schröder hat zur Beseitigung des Mangels eine Green-Card für Softwareentwickler vorgeschlagen. Damit soll High-Tech-Arbeitern eine befristete Aufenthaltsgenehmigung ermöglicht werden. Ob das Modell auch für Österreich geeignet ist, hat die furche Industrie und Gewerkschaft gefragt. WM Die sogenannte "Green-Card" ist zu einem geflügelten Begriff dafür geworden, daß bei Arbeitskräfteknappheit im Inland neue Arbeitskräftepotentiale im Ausland erschlossen werden müssen. Tatsache ist, daß in dieser von jedermann beobachtbaren stürmischen Entwicklung der Old Economy (traditionelle Wirtschaft) hin zur New Economy (neue meist im Technologiebereich angesiedelte Wirtschaftsformen) neue und teilweise andere Qualifikationen bei Arbeitskräften in einem großen Umfang notwendig sind. Arbeitsplätze in den stark anwachsenden Branchen der New Economy, also klassischerweise Informationstechnologie und Neue Medien, bleiben ansonsten unbesetzt - Stichwort "Techniker-Lücke" - oder können nur durch außerordentliche Anstrengungen besetzt werden.

Zwar ist das heimische Ausbildungssystem seit einiger Zeit dabei, die neuen zukunftsorientierten Qualifikationen zu vermitteln; auch die neue Computerinitiative zu e-learning und Internet weist in die richtige Richtung. Und auch die Unternehmen selbst und jede einzelne Arbeitnehmerin, jeder einzelne Arbeitnehmer nutzen vermehrt die Chancen, durch verstärkte Weiterbildungsanstrengungen zu den neuen und notwendigen Qualifikationen zu kommen.

Dennoch kann der akute Bedarf an - vor allem - hochqualifizierten (high-skill) Arbeitskräften derzeit bei weitem nicht abgedeckt werden. Die zumindest vorübergehende Beschäftigung von Spezialisten aus dem Ausland muß daher möglich sein - ähnlich dem nun so oft zitierten US-amerikanischen Green-Card-Modell.

Eines ist dabei klar: Es geht nicht um billige Arbeitskräfte und auch nicht um Hilfskräfte, sondern um das Abdecken eines Akutbedarfes von Spezialisten für eine boomende Informationstechnik-Branche. Das gesetzliche Instrumentarium ist durch das Fremdenrecht und das Ausländerbeschäftigungsrecht verfügbar. Ein Problem ergibt sich nur, wenn Kontingente einer Beschäftigung dieses dringenden Arbeitskräftevolumens entgegenstehen.

Damit wird die Problemstellung zu einer Herausforderung für die Politik: Der gesetzliche Rahmen müßte erweitert werden.

Aus Sicht der Industrie hat die Beschäftigung von Spezialisten aus dem Ausland, insbesondere aus unseren mitteleuropäischen Nachbarländern, die Mitglied in der Europäischen Union werden wollen, auch eminent strategische Bedeutung. Denn die vorübergehende Beschäftigung in Österreich verhilft zu einer Weiterbildung (Upgrading) dieser Spezialisten im Anwendungs-Know-how. Wenn diese Spezialisten im Informationstechnologie-Bereich nach einiger Zeit wieder in ihre Heimatstaaten zurückkehren, sind sie ein gefragtes Rückgrat für die Wirtschaften in diesen Staaten und helfen beim Aufbau der EU-Osterweiterung mit. Hinzu kommen die mannigfachen Kontakte, die diese Fachkräfte während ihrer Zeit in Österreich knüpfen. Hier kann ein österreichisches Netzwerk entstehen, das einen langfristigen Nutzen in einem ungeahnten Ausmaß für den Standort Österreich und die Arbeitskräfte in diesem Land zu stiften imstande ist.

Die Aufgabe von seiten der Wirtschaft ist es, aufzuzeigen, wer gesucht wird, wie groß der Bedarf ist, für welchen Zeitraum dieser Bedarf besteht. Die Aufgabe der Politik ist, in Erkenntnis dieser Chance sicherzustellen, daß der Zugang zu diesen dringend benötigten Softwarespezialisten erfolgen kann. Auf dieser Basis wird es breite Zustimmung aus allen Kreisen der Gesellschaft geben. Kleinlich ängstliches Mauern hingegen ist gerade im Zeitalter des zusammenwachsenden Europas fehl am Platz, weil Chancen dadurch täglich, ja stündlich verloren gehen.

Der Autor ist Generalsekretär der Österreichischen Industriellenvereinigung.

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