Männer und andere Komiker

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Mit dem neuen Jahr geht der Ernst des Lebens in eine neue Runde. Dabei macht Humor den Alltag leichter - außer er richtet sich, als Witz verkleidet, gegen Frauen. Eine Annäherung an das Komische.

Erich Kästner hat in den fünfziger Jahren die Einführung eines neuen Unterrichtsfaches verlangt, nämlich das der "Lachkunde". Wir sollten mehr zu innerer Heiterkeit erzogen werden, statt ein Leben lang mit den "Dackelfalten der Probleme auf der Stirn herumzurennen." Und er meinte in einem Artikel mit dem bezeichnenden Titel "Humor - das ernsteste Thema der Welt" (1953): "Die deutsche Literatur ist einäugig. Das lachende Auge fehlt". Zwar gibt es bei allen Völkern Humor, doch in der deutschsprachigen Literatur ist er besonders selten zu finden. Die deutschen Denker nehmen meist nur das Ernste ernst, nicht die heitere Muse, den Humor, der das "höchste Kleinod der leidenden Erdkrustenbewohner" darstellt.

Auch Egon Friedell klagt diese einseitige Ernsthaftigkeit an: "Das schlimmste Vorurteil, das wir aus unserer Jugendzeit mitnehmen, ist die Idee vom Ernst des Lebens. Daran ist die Schule schuld. Die Kinder haben nämlich den ganz richtigen Instinkt: sie wissen, dass das Leben nicht ernst ist, und behandeln es als ein Spiel und einen lustigen Zeitvertreib. Aber dann kommt der Lehrer und sagt: Ihr müsst ernst sein. Das Leben ist es auch.'"

Ein Blick in die Kulturgeschichte des Komischen zeigt, dass die abendländische Literatur männlich dominiert war und noch immer ist. Bis tief ins 20. Jahrhundert wurde der Witz den Frauen weithin abgesprochen, weil er dem Intellekt nahe stehe, den der Mann gepachtet habe. Anders verhält es sich mit dem Humor, der sich aus den Kräften der Liebe speist: Er wurde den Frauen wesentlich weniger abgesprochen als der Witz.

Der männliche Witz ist weithin frauenfeindlich. In den "Anecdota" - einer bedeutenden Sammlung von 2.440 Witzen im Holland des 17. Jahrhunderts - finden sich nur ganz wenige Frauenwitze über Männer. Die Frauen sind fast ausschließlich Objekte dieser weithin derben Witze. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts werden sie selbst erfinderisch. Heute treibt der Frauenwitz köstliche Blüten. Ein Beispiel gefällig? "Wie nennt man einen Mann, der 90 Prozent seiner praktischen Intelligenz verloren hat? - Witwer." Auch im Verhältnis zwischen den Geschlechtern verkörpert der Witz den spielerischen Protest gegen witzlose Tabus, Herrschaften, Hemmungen und Ängste. Er spielt eine beachtliche Rolle im emanzipatorischen "Sich-Frei-Spielen" aus Unterdrückungsverhältnissen.

Was macht aber das Wesen des Humors aus? Im landläufigen Sinn versteht man darunter alles, was mit Witz, Spaß, Ironie, Lachen und Clownerie zu tun hat. Diese höchst verschiedenen Verwandten müsste man als die Familie des Komischen bezeichnen. Denn der eigentliche, der große Humor ist etwas anderes. Humor ist eine Frucht menschlicher Reife und Versöhntheit mit sich selbst, trotz aller Enttäuschungen. Man kann alles humorvoll oder humorlos sehen, machen und erleben.

Die Familie des Komischen ist groß - und wie in jeder Familie gibt es darunter auch schwarze Schafe. Gemeinsam ist den Inkarnationen des Komischen, dass sie in unterschiedlichster Weise zum Lachen reizen und ein Naheverhältnis zu bestimmten psychischen Kräften haben. Der Witz steht dem Intellekt nahe und äußert sich vor allem durch Wortspiel, Gedankenspiel und Mehrdeutigkeit. Der Spaß dagegen hat einen starken Bezug zur Vitalsphäre und kann sehr derb werden. Der Spott steht den Kräften der Aggression, der moralischen Kritik und dem Hass nahe und äußert sich besonders beißend in Sarkasmus und Zynismus. Dagegen nährt sich der Humor aus den Kräften der Liebesfähigkeit und des Wohlwollens. Entsprechend unterschiedlich ist auch die Art des Lachens, die durch diese Formen des Komischen ausgelöst wird: mildes, wohlwollendes, versöhnliches Lachen, herabsetzendes, verletzendes, entwertendes, ja tödliches Lachen.

Der Theologe Hugo Rahner charakterisiert Humor als "Ernstheiterkeit": Nur ein Mensch, der sich selbst und andere Menschen ernst nimmt, kann eine humorvolle Lebenseinstellung entfalten. "Humor ist, wenn man trotzdem lacht" - so sagte es bekanntlich Otto Bierbaum. Peter Altenberg wiederum bezeichnete den Humor als "Schwimmgürtel des Lebens". Denn in der humorvollen Einstellung betrachten wir alle schmerzlichen Dinge des Lebens wie durch ein umgedrehtes Fernrohr und gewinnen so heilsame Distanz. Der Clown als zentrale Figur des Humors bringt diese beiden Seiten durch ein lachendes und weinendes Auge zur Darstellung. Man kann lächeln, obwohl es zum Weinen wäre.

Nicht zuletzt hat auch der 70-jährige Sigmund Freud eine eindrucksvolle Studie über den Humor verfasst: "Der Humor hat nicht nur etwas Befreiendes wie der Witz und die Komik, sondern auch etwas Großartiges und Erhebendes. (...) Der Humor ist nicht resigniert, er ist trotzig, er bedeutet nicht nur den Triumph des Ichs, sondern auch des Lustprinzips, das sich hier gegen die Ungunst der realen Verhältnisse zu behaupten vermag."

Humor können wir nur im Abstand zu den Dingen unseres Interesses entwickeln. Jede Umklammerung durch Interessen macht uns humorlos. Humor bezeichnet also eine Grundhaltung heiterer Gelassenheit, in der der Humorvolle die auch leidvollen Gegebenheiten des Lebens gleichsam von einer höheren Warte aus betrachten kann.

Deshalb hat Humor viel mit Weisheit zu tun. Ein Gebet von Friedrich Oetinger aus dem 18. Jahrhundert bringt dies zum Ausdruck: "Gott, gib mir die Gelassenheit, die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden."

Der Autor ist Fachhochschullehrer, Psychoanalytiker, Wissenschaftspublizist und "Witzlandschaftspfleger".

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