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Humorlose Christen

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Daß Predigten und Vorträge von Bischöfen gedruckt werden, ist üblich. Selten ist es, daß ein Bischof Humorvolles aus dem Alltag niederschreibt und noch selbst (meisterhaft) illustriert. Solches tat nun Bischof Reinhold Stecher aus Innsbruck, und die Auflage war vergriffen, ehe der Verkauf noch recht begann.

Wieso diese Nachfrage? Weil man Stecher gerne hört und liest. Er nennt die Dinge mutig beim Namen, redet klar wie Tiroler Bergwasser. Diesmal wohl auch, weil es so trostvoll ist, Kirche mit Humor zu erleben. Viele haben heute das Gefühl, es gäbe in der Kirche ohnehin nichts mehr zu lachen, und andere meinen, das sei schon recht, weil Glaube eine „ernste" Sache sei. Glaube ohne Humor? Humor ist keine Charaktereigenschaft, sondern eine Geisteshaltung. Das neueste Lexikon der Spiritualität widmet dem Stichwort Lachen/Humor drei Spalten. Wo es in der Bibel um Befreiung, um Heil, um Vollendung geht, „hört man" Lachen. Als der Herr das Los der Gefangenschaft Zions wendete, „da war unser Mund voll Lachen" (Ps 126). Ijob hörte in seiner großen Bedrängnis: „Mit Lachen wird Gott deinen Mund noch füllen." Und in der Vulgataüber-setzung heißt es von der tüchtigen Frau im Buch der Sprichwörter: , Am letzten Tag noch wird sie lachen." Der ganze Osterjubel hat sich später in der Kirche so gesteigert, daß typisch dafür der „risus paschalis", das „Osterlachen", wurde. Und das Bild der Herrlichkeit, auf die wir hoffend zugehen, ist kein Leichenmahl, sondern ein Hochzeitsmahl, wohl voller Freude, und Gott selbst wird alle Tränen trocknen und keine Trauer wird mehr sein und keine Mühsal. Wer aber kann jetzt schon lachen, angesichts so vieler Not? „Humor ist, wenn man trotzdem lacht" sagt Otto Julius Bierbaum. Oberflächlicher Humor gleicht aufgesetzter Komik. Tiefer Humor erweist sich, wo eine noch so schwere Situation durch Trotzdem-Lachen spirituell bewältigt werden kann. Aus welchem Grund? Wer ausschließlich innerweltlich denkt, scheint im Humor vor sich selbst zu fliehen. Wer im Glauben um Gottes befreiende Kraft und seine zugesagte Nähe in Liebe weiß, hat tiefen Grund für seinen Humor. Humor ist keine Begabung. Christlicher Humor kommt aus dem Glauben. Viele Heilige haben dafür beredtes Beispiel abgelegt: Katharina von Siena, Theresia von Avila, Thomas Morus, Don Bosco, um nur wenige zu nennen. Warum geht es dann oft so humorlos zu in unserer Kirche? Wir klagen, daß rund um uns der Glaube sichtbar verdunstet. Kann er aber dort vermutet werden, wo nur mehr Klagen zu hören sind, kaum mehr etwas von diesem befreienden Trotzdem-Lachen?

P. L. Berger zählt den Humor zu den „Zeichen der Transzendenz". Humorlose Christen: Woran glaubt ihr eigentlich?

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