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Die Leuchten der Dichtkunst im kleinlichen Papierkrieg

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Herve Guibert nennt Thomas Bernhard einen „selbstverliebten Don Quichote” und „elenden, alles verratenden Wiener”. Thomas Bernhard wiederum hält Goethe für den „Totengräber des deutschen Geistes” und einen „Scharlatan”. Natürlich gibt es auch Wortspenden des „Meisters aller Klassen” über Kollegen; zu Friedrich Schlegel fällt ihm ein, daß „dieser ... am Wiederkäuen sittlicher und religiöser Absurditäten erstickt” sei. Und Schiller schreibt über Schiller: „Aber gegen Göthen bin und bleibe ich ein poetischer Lump.”

In dieser, aber auch viel schärferer Tonart geht es weiter, wenn Dichter sich und ihresgleichen beschimpfen. Der Literaturwissenschaftler Jörg Drews hat sozusagen Kollegenschel-<te aus der Welt- und anderen Literaturen gesammelt. Horaz schimpft über Atticus und Werfel über Canetti. Die Sammlung ist bunt und aufschlußreich, erfährt man doch zum Beispiel auch, daß „die Bachmann” einen „Frauentick” hatte, weil sie annahm, „sie sei eben vom Himmel gefallen”.

Der Bachmann-Experte ist in diesem Fall Walter Kempowski, der etwa einhundert Seiten später über sich sagt, er sei der „Sonnyboy der deutschen Gegenwartsliteratur”. Einen Absatz weiter unten findet man hingegen ein geistreiches Zitat Tru-man Capotes über Jack Kerouac: „Der Mann kann nicht schreiben, nur tippen.”

Der Leser, der annimmt, Autoren könne nichts Schlimmeres widerfahren als Verrisse durch Literaturkritiker, kann eines Schlechteren belehrt werden. In Drews Dichterbeschimpfungen gehen Kollegen mit ihren Zunftgenossen völlig unnachsichtig ins Gericht. Es fallen Wörter und Satz gewordene Gehässigkeiten, die kein Feuilleton abdrucken würde.

Das überraschendste an diesem Buch ist vielleicht, wer wen zur Kenntnis genommen hat. Unter den österreichischen Autoren sind neben den erwähnten zum Beispiel auch Sigmund Freud, Franz Grillparzer, Peter Handke („Lieblingsbuberl des deutschen Feuilletons”), Franz Kafka, Karl Kraus („Revolverjournalist”), Robert Musil und Arthur Schnitzler „beschimpfungswürdig”.

Kurz, das Ruch berichtet von einem Schlachtfeld, auf dem sich die Dichter im Papierkrieg befinden. Und es wäre ein leichtes, den Herausgeber in die Sammlung einzureihen, schreckt er doch nicht davor zurück, den Lyriker Reiner Kunze zwar nicht schlecht zu finden, dafür aber dessen Vornamen falsch zu schreiben.

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