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Am Beispiel Korneuburg

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In Korneuburg laufen Umweltschützer just gegen eine „Gesellschaft für Umweltschutz“ Sturm. Es geht um eine Anlage zur Verwertung und Beseitigung von Altöl.

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In Korneuburg laufen Umweltschützer just gegen eine „Gesellschaft für Umweltschutz“ Sturm. Es geht um eine Anlage zur Verwertung und Beseitigung von Altöl.

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„Für das gesamte Bundesgebiet kann bei einem Gesamtverbrauch an Schmierölen von etwa 130.000 Tonnen pro Jahr ein Anfall von Altölen und ölhaltigen Abfallstoffen von ca. 80.000 Tonnen pro Jahr angenommen werden. Wendet man den von der EG (Europäische Gemeinschaft) erhobenen Prozentsatz von 60 Prozent für unkontrollierte Beseitigung an, so verbleibt eine Restmenge von rund 30.000 Tonnen zur Entsorgung.“

So heißt es in der 1980 erschienenen „Studie über die Beseiti-

gung und Wiederverwertung von Altölen in Kärnten“ (herausgegeben vom Amt der Kärntner Landesregierung, Abteilung Landesplanung). So brennend das Problem Altölentsorgung ist, erst ein handfester Konflikt nördlich von Wien dürfte es „medienreif“ und damit für die breite Öffentlichkeit interessant gemacht haben.

Die einst von den großen Mineralölfirmen gegründete, nun dem Geschäftsführer Heinz Buchinger gehörende „Gesellschaft für Umweltschutz und Beseitigung von öl- und chemischen Abfällen (GFU)“ plant in Korneuburg die Errichtung einer „Betriebsanlage zur Aufbereitung von Altöl, verbrauchter Ölemulsionen und verbrauchter Lösungsmittel“ (Baubeschreibung vom 15. Februar 1983). Bürger aus Korneuburg und den angrenzenden Gemeinden Bisamberg und Langenzers- dorf laufen dagegen Sturm.

Die Bürger, angeführt vom Kinderarzt und ALÖ-Mann Fer-

dinand Sator, verweisen vor allem darauf, daß Korneuburg bereits jetzt — vor allem durch das veraltete kalorische Kraftwerk — einer unerträglichen Schadstoffbelastung ausgesetzt ist. Der Raum Korneuburg bekommt allein an Schwefeldioxid im Jahr 9269 Tonnen mit, das ist der höchste Wert in Niederösterreich nach Schwechat und weit vor allen anderen Regionen.

Schützenhilfe leistet den streitbaren Bürgern die Chemikerin Barbara Köszegi, der nach eigenen Worten die Lektüre der Beschreibung der geplanten Anlage „die Haare zu Berge“ stehen ließ. Sie argwöhnt, daß hier auch mit polychlorierten Biphenylen (PCBs) und anderen gefährlichen Stoffen gearbeitet wird und ähnliche Gifte wie in Seveso in die Luft gelangen. GFU-Chef Bu-

chinger widerspricht dem heftig: „Wir werden sicher nicht mit PCBs arbeiten, obwohl das von der Anlage her möglich wäre.“

Ein paar Beispiele dafür, wie die Auseinandersetzung zwischen den „Umweltschützern“ läuft: Laut GFU wird die Anlage einerseits schadstoffarme verkäufliche Produkte — Sonderheizöl und Lösungsmittel — anderseits dem Gesetz entsprechend sauberes Abwasser, praktisch schadstofffreie Abluft und unauswaschbare verfestigte Ascheblöcke, die die Schadstoffe (vor allem die Metalle) konzentrieren, abgeben. Die andere Seite spricht von einer „Giftfabrik“, die Luft und Grundwasser verpesten, mit einer veralteten Anlage arbeiten wird und Geschäfte mit giftigen Produkten macht.

Buchinger wiederum erklärt, die Anlage werde hochmodern und mit den besten verfügbaren Filtern ausgestattet sein, das Grundwasser von Korneuburg sei bereits seit dem Krieg durch ein Öl-Chlor-Gemisch verseucht, er würde vor Inbetriebnahme der Anlage auf jeden Fall ölproben bei einem Notar hinterlegen, um notfalls beweisen zu können, daß kein öl aus seiner Anlage ins Grundwasser gekommen sei.

In der Hitze der Vorwahlzeit dürfte von den Politikern keine Entscheidung über den Bau zu erwarten sein. Fest steht, daß Österreich eine Altölverwertungsanlage braucht (übrigens auch eine Sonderdeponie, wo zum Beispiel die hier anfallenden Ascheblöcke gelagert werden müßten), daß aber die Sensibilität der Bevölkerung bereits so groß ist, daß alle, die sich mit Relikten der Umweltverschmutzung befassen, größtem Mißtrauen ausgesetzt sind, oft mit Recht, wie die Beispiele EBS und Bachmanning zeigen.

Die Notwendigkeit einer solchen Anlage akzeptiert auch Sator, der freilich in das GFU-Pro- jekt wenig Vertrauen setzt und vor allem den Standort kritisiert: „Eine solche Anlage dürfte nicht, wie in Korneuburg geplant, mitten im Wohngebiet stehen.“

Was beim schwerstbelasteten Korneuburg einsichtig ist, werden aber nach dem „Florianiprin- zip“ wohl auch andere Gemeinden tun: solche Anlagen weit von sich weisen. Ob das dem Umweltschutz dient oder noch mehr als 60 Prozent des Altöls unkontrolliert verschwinden läßt, bleibt abzuwarten.

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