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Dauerlachfalten
Man sagt, daß Komiker, die alle Welt zum Lachen bringen, selbst oft traurige Leute seien. Der Autor dieses Erinnerungsbuches, der den Lesern der Münchner „Abendzeitung“ insbesondere als „Spaziergänger Blasius“ ein Begriff ist, scheint so ein Komiker zu sein. Dem Clown sind Dauerlachfalten aufgemalt. Es sind in der Mehrzahl Dinge zum Weinen, über die man sich da zerkugelt. Galgenhumor dominiert. Aber erst nach der Lektüre weiß man es, daß dies kein heiteres Buch ist. Eher schon ist es ein Abgesang auf das Leben, dessen wehmütige Töne in einem schallenden „Ist ja alles zum Brüllen!“ untergehen sollen. In einem einzigen weisen Vermerk am Schluß des Buches, das Sterben werde gewiß ebenso klaglos vonstatten gehen wie die Geburt, und man solle sich deswegen nur keine Sorgen machen, erweist. sich der „Spaziergänger“ als Optimist. Kürnberger hätte ihm darauf sicherlich sein „Ich hätte den Mann für gescheiter gehalten“ hingeworfen.
Es wäre aber ungerecht, das Buch nicht trotzdem als eine glänzende Unterhaltung zu empfehlen. Sommer gelingt es, indem er die Vokabulare zweier Welten, der vergangenen und der gegenwärtigen vermischt, umwerfende Wirkungen zu erzielen. Die Münchner werden wiehern, sie besonders, weil sie doch auch alle versteckten Beziehungen zur Lokalität verstehen Es geht derb und zuweilen auch rücksichtslos zu. Doch ob-schon des Blasius Herz angeblich sehr weit links — bei der jetztigen Mehrheit — schlägt, sind ihm ganz offensichtlich die „besseren“ Leute lieber als die kleinen, und das nicht: nur, weil gerade sie, die besseren, seine Freunde sind — wie der Kanzler zum Beispiel, der Staatsschauspieler und so mancher Prominente, dessen Kartengrüße man stolz vorzeigen kann —, sondern weil sie auch sonst die besseren sind. Die kleinen Leute sind nur zum Lachen, oder sie sind böse wie der Briefträger, der im Krieg ein arger Leuteschinder war. Der Witz läßt manchmal die Absicht durchblicken, Klamauk gibt es nie. Es ist alles real, die wirkliche Welt, wie sie das Auge des geborenen Witzereißers erblickt. Es sind über 70 Genrebilder, über deren kulturgeschichtlichen Wert kein Zweifel besteht. Kein Buch für eine einmalige Lektüre. Was viel bedeutet von einem „Buch zum Lachen“.
KINDER, WIE DIE ZEIT VERGEHT. Von Sigi Sommer. Zeichnungen von Ernst Hürlimann. Süddeutscher Verlag, München. 236 Seiten. . .
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