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Düstere Kabel-TV-Zukunft?

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„Die Presse” sieht den Zug in die künftige Medienlandschaft mit dem Wiener Anpfiff schon abgefahren, das Wochenmagazin „profil” glaubt, daß dem ORF durch die neue Konkurrenz eine ungewisse Zukunft bevorstehe. Beide Zeitungen spielten auf dasselbe Ereignis an: Die Gründung der Wiener „Fernsehnetz-Betriebsgesell- schaftmbH”, an der die gemeindeeigene Kabel-TV-Gesellschaft (KTV) zu fünf Prozent, der niederländische Elektrokonzem Philips zu 95 Prozent beteiligt sind. Das Zustandekommen des Vertrages zwischen der Gemeinde Wien und Philips gibt Rätsel auf, genauso wie der Schritt ins „totale Fernsehzeitalter” („Kurier”), dessen Auswirkungen sich nur erahnen lassen.

Hatte Wiens Finanzstadtrat Hans Mayr in der Beteiligungskommission des Gemeinderates noch vor dem Abschluß des Milhardengeschäftes versichert, daß auch die Interessen der Firmen Elin, Siemens und Hirschmann Berücksichtigung finden würden, platzte er einen Tag vor der entscheidenden Sitzung in einer gemeinsam mit Philips-Generaldirektor Ettel abgehaltenen Pressekonferenz mit einem Vertragswerk an die Öffentlichkeit, das „unter dem Stern eines faktischen Philips-Monopols steht” („profil”). Die Philips-Konkurrenten fühlten sich verständlicherweise übergangen.

Elin-Direktor Herbert Schaedel wollte den Alleingang des Finanzstadtrats Mayr mit dem Philipskon- zem vorerst nicht wahrhaben: noch während der entscheidenden Sitzung der Wiener Gemeindeholding zum Vertrag wollte er das verstaatlichte Elin-Unternehmen per Telex neuerlich an der Betriebsgesellschaft beteiligen. Die Intervention blieb erfolglos. Der Elin-Direktor kritisierte daraufhin die einseitige Haltung der Gemeinde. Wörtlich: „Ich hatte bei den Verhandlungen den Eindruck, daß es da offenbar schon vorher Zusagen gab”.

Ähnlich erging es auch Mitbieter Siemens: Der deutsche Elektrokonzern hatte 20 Prozent an der Fernseh- netz-BetriebsgesmbH gefordert, war damit aber nicht durchgekommen. Philips hatte sich sein Monopol schon damit abgesichert, daß der Konzern eine Mindestbeteiligung von 76 Prozent an der neuen Gesellschaft gefor dert hatte und hinzufugte, daß die Restanteile beliebig an interessierte Firmen verteilt werden könnten, keine dürfe jedoch mehr als fünf Prozent bekommen. Siemens bekam somit nicht das gewünschte Stück vom Ka- bel-TV-Kuchen und als der deutsche Konzern einen ähnlichen Vertrag wie Philips anbot, war das Geschäft schon gelaufen.

Kurz nachdem Siemens dermaßen ausgebootet worden war, berichtete die „Kieme Zeitung’1 von einem möglichen Kabel-TV-Projekt, das die Wiener Blätter „Kronen-Zeitung” und „Kurier” gemeinsam mit dem deutschen Elektrokonzern realisieren wollen. Medienkenner geben einem solchen Konkurrenzunternehmen allerdings nur geringe Chancen: Das Monopol der Femsehnetz-Betriebsge- sellschaftmbH sei kaum mehr zu brechen.

Offensichtlich noch unter dem Schock der „Bauring-Pleite” stehend, hatte sich Stadtrat Mayr ganz den Niederländern in die Arme geworfen. Auf der Suche nach einem starken privatwirtschaftlichen Partner hatte Philips den besten Vertrag angeboten, weil das „finanzielle Risiko gering ist, und die Interessen der Wiener ausreichend geschützt sind, da die Programmhoheit bei der Stadt liegt” (Mayr). Diese

Risikoübemahme war letzten Endes der entscheidende Punkt, daß sich die Gemeinde für Philips als alleinigen Partner entschied.

Philips konnte aber auch noch, mit anderen Vorzügen aufwarten: Von allen Interessenten dürften die Niederländer die größten Erfahrungen auf dem Gebiet der Verkabelung haben (In den Niederlanden wurde Eindhoven und zum größten Teil auch Amsterdam von Philips verkabelt) Außerdem sicherte der Philipskonzem zu, daß bei der Vergabe der Subaufträge vor allem heimische Firmen herangezogen würden. Die Wiener VP und FP stimmten auf diese Angebote hin dem Vertrag mit Philips ebenfalls zu.

Kritiker kreiden Finanzstadtrat Mayr vor allem seinen Alleingang mit Philips an, kritisieren aber auch, daß sich die Gemeinde Wien mit einem starken ausländischen Multi eingelassen habe, somit der Gefahr der Monopolisierung im Kabel-TV Tür und Tor geöffnet worden sei. Außerdem könnte das Wiener Beispiel soweit Schule machen, daß Philips sich auch in den übrigen Großgemeinden und Bundesländern Österreichs gleichsam als einzig zwingender Partner empfiehlt, dadurch eine enge Bindung zwischen den Bundesländer-Kabel-TV-

Gesellschaften und der Wiener FernsehnetzbetriebsgesmbH entstehen könnte, wobei Wien natürlich richtungsweisend wäre und das nicht nur in der Technik.

Noch eine Gefahr ist unübersehbar: Da Wien mit dem Kabel-TV in Österreich nunmehr am weitesten vorangeschritten ist, wird die Bundeshauptstadt auch „früher ein Interesse an einem Kabel-TV-Gesetz anmelden” („Die Presse”), das ja erst eine eigene Programmgestaltung ermöglicht. Die Gefahr wird im selben Artikel der „Presse” drastisch aufgezeigt: „Demnach könnte ganz Österreich zu einem neuen Gesetz kommen, das vor allem den Wünschen des Wiener Rathauses und seiner Mehrheit entspricht. Und noch mehr: Wenn die übrigen Bundesländer ihre Kabelinteressen nicht ebenso vital vertreten wie die Bundeshauptstadt, dann könnte man auf Grund Jangjähriger Erfahrungen* gleich zu einer bundesweiten Kabel- TV-Anstalt kommen, die diesen Medienzweig als Monopol neben dem ORF beherrscht.”

Konkret auf die Medienpolitik angewandt, könnte eine solche Entwicklung bedeuten; wenn sich bei einem neuen Kabel-TV-Gesetz eine starke politische „pressure-group” durchsetzt (das könnte ohne weiteres die Gemeinde Wien sein), die mit allen Konsequenzen ihre politischen Zielsetzungen durchzupeitschen versucht, steht es um die zukünftige politische Landschaft in diesem Land schlecht bestellt: Mit einem solchen Meinungsmonopol ließen sich politische Mehrheitsverhältnisse wahrscheinlich auf Jahre hinaus zementieren!

Für den Wiener Kabel-TV-Konsu- menten sieht die Zukunft auf den ersten Blick freilich nicht so düster aus: Bis in spätestens sieben Jahren sollen 450.000 Wiener Haushalte verkabelt sein und statt nur zweier ORF-Programme können in diesen Haushalten dann drei deutsche Programme (ARD, ZDF, und wahrscheinlich Bayern 3) ein schweizerisches (SRG) und ein englisches Programm empfangen werden. Insgesamt sieht das geplante Kabelnetz den Empfang aus 18 Fem- sehkanälen und 14 UKW-Programmen vor.

Für den ORF wird die Konkurrenz dann gefährlich, wenn die Kabel-TV- Konsumenten zwischen dieser Vielzahl von Programmen auswählen können und damit nicht mehr ausschließlich auf den ORF angewiesen sind. „Denn an Hand der deutschen Programme werden die ORF-Konsumenten schon bald sehen, wieviele Sendungen verspätete Übernahmen .sind”, gab das „profil” zu bedenken. Was sich auf dem Werbesektor für den ORF für unliebsame Auswirkungen ergeben könnte, kann sich jeder selbst ausmalen.

Für die Kirche wird das Kabel-TV in dem Augenblick interessant, in dem ein Kabel-TV-Gesetz existiert und die Gesellschaften herangehen, eigene Programme zu gestalten. Sie fordert deswegen, daß die Diskussion so weit offen wie möglich geführt wird, und im Rahmen des geplanten Kabel-TV- Gesetzes das Kirchliche und Religiöse im Sinne der pluralistischen Gesellschaft einen ähnlichen Stellenwert, wie im ORF-Programmauftrag erhält.

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