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Helm ab zum Gebet

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Laut Artikel 79, Absatz 2 der Bundesverfassung ist das Bundesheer auch „zur Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges bestimmt“, wofür naturgemäß vor allem die Pioniertruppe in Betracht kommt. Der geltenden Heeresgliederung zufolge verfügt jede der drei Gruppen über ein Pionierbataillon und zwei bis drei Pionierkompanien, und dem Ministerium direkt untersteht ein weiteres Pionierbataillon — das sind nach Abzug der 1968 stillgelegten Einheiten immerhin 15 Kompanien mit normalerweise weit mehr als 2000 Mann. Aber das jüngste Hochwasser in der Steiermark genügte, um offenbar zu machen, was Kreisky und Lütgendorf gereizt bestreiten: daß das österreichische Bundesheer nicht einmal mehr mit Teilen einsatzbereit ist. Denn zur Behebung der Schäden im Katastrophengebiet mußten 700 Reservisten einberufen werden. Schon eine Wasserflut zwang zur Teilmobilmachung.

Was aber soll geschehen, wenn wieder einmal, wie etwa beim ungarischen Aufstand von 1956, eine Menschenflut über uns hereinbricht? Oder wenn gar mit und hinter den flüchtenden Zivilisten auch kämpfende Soldaten unser Territorium betreten, denen womöglich dann Streitkräfte einer dritten Macht kämpfend entgegentreten? Die Antwort ist schrecklich einfach und einfach schrecklich: Wir werden dann das Kambodscha Südosteuropas sein.

Wollen das unsere Studenten und Schüler, die just am Jahrestag der Wiederherstellung der Republik auf die Straße gingen? Manche wollen das ganz gewiß: in der Hoffnung, auf dem Feuer des Krieges ihr eigenes Süppchen kochen zu können. Andere wollen das nicht, aber nützen jenen, indem sie vom Staate nur nehmen und nichts mehr ihm geben wollen. Übrigens: Ob sie auch dann demonstrieren werden, wenn sie, statt sechs Monate für Österreich, 24 bis 36 Monate in irgendeiner „Nationalen Volksarmee“ dienen müssen? Und: Ob sie dann auch den Marschall Gretschko per Transparent an den Galgen wünschen?

In letzter Konsequenz freilich hat diesen Ausbruch von Idiotie (im griechischen Wortsinn) die Regierung zu verantworten, die in ihrem blinden Eifer bei der Demontage der Verteidigungsbereitschaft nicht einmal daran gedacht hat, die Einberufungstermine zum Alibiwehrdienst mit den berechtigten Bildungs- und Berufsinteressen derer abzustimmen, die im Notfall für Staat und Volk ihr Leben einsetzen sollen. Ein Treueverhältnis gibt es, gerade in der demokratischen Republik, nicht nur von unten nach oben, sondern auch von oben nach unten.

Am 11. März 1938 hat Schusch-nigg — leider! — keinen Schießbefehl gegeben, sondern gebetet: „Gott schütze Österreich!“ Kreisky würde sich — leider! — in einer analogen Situation nicht anders verabschieden können.

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