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Kommt die grenzenlose Freiheit?

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Ein EU-Beitritt ist für die Versicherungen gar nicht so wichtig. Die entscheidenden Neuerungen bringt bereits der EWR mit sich.

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Ein EU-Beitritt ist für die Versicherungen gar nicht so wichtig. Die entscheidenden Neuerungen bringt bereits der EWR mit sich.

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Was bedeutet, der Eintritt Österreichs in den europäischen Binnenmarkt - und dieser Eintritt wird hier schon mit dem Inkrafttreten des EWR-Vertrages uneingeschränkt verwirklicht — für die österreichische Versicherungswirtschaft?

Vorweggenommen sei, daß die Sozialversicherung - nach dem Beitragsaufkommen (1992: 224 Milliarden Schilling) gewichtiger als die gesamte Vertragsversicherung (103 Milliarden Schilling) - hievon höchstens insofern tangiert wird, als sich nach der Verwirklichung des Prinzips der freien Arbeitsplatzwahl die Fälle mehren werden, in denen Leistungen grenzüberschreitend zu erbringen sind. Und zwar in Zukunft nicht nur Leistungen der Pensions-, sondern auch solche der Kranken-und der Unfallversicherung.

Das Problem selbst ist nicht neu, und zwischen den meisten Ländern bestehen längst Doppelversicherungsabkommen. Einer Lösung bedarf hier im wesentlichen nur noch die steuerliche Behandlung der Beiträge einerseits und der (Pensions-) Leistungen andererseits. Denn sonst kann sich die Konstellation ergeben, daß jemand aus einem Land, wo die Beiträge aus dem versteuerten Einkommen entrichtet werden müssen und dafür die Pensionen steuerfrei sind, in ein solches umzieht, das (wie Österreich) die Beiträge steuerfrei stellt und dafür die Pensionen besteuert. Oder, daß umgekehrt jemand mit abzugsfähigen Beiträgen den Anspruch auf eine ebenfalls steuerfreie Pension erwirbt.

Für die Vertragsversicherung hingegen ändert sich im Binnenmarkt wenig und viel zugleich: Wenig ändert sich teils de jure, teils de facto durch die vier Freiheiten selbst: Die Freiheit der Arbeitsplatzwahl berührt die Versicherungswirtschaft kaum, und die Freiheit des Kapitalverkehrs ist in Österreich längst verwirklicht. De facto verwirklicht ist, wie die große Zahl von Österreich-Töchtern ausländischer Versicherungen beweist, sogar die Niederlassungsfreiheit. Hier dürfte es wohl nur im Bereich der Maklerfirmen zu einer Veränderung der Marktkonstellation kommen.

Treue Kunden

Bleibt also die Dienstleistungsfreiheit, wo am 1. Juli 1994 mit dem Inkrafttreten der dritten Richtlinien-generation die bisherige Beschränkung auf das Industriegeschäft und im Bereich der Lebensversicherung auf vom Versicherungsnehmer (oder von einem Makler!) initiierte Abschlüsse wegfällt. Allzu große Sorge um das nur noch bis Mitte 1994 geschützte Breitengeschäft machen sich die österreichischen Versicherungsgesellschaften jedoch nicht, weil sie - wohl zu Recht - auf den Wunsch der weitaus meisten Versicherungsnehmer bauen, sich im Ernstfall unmittelbar an „ihren” Versicherungsvertreter wenden zu können (und erst recht auf den Horror vor der Austragung etwaiger Streitigkeiten bei einem Gericht im Ausland). Praktisch zugutekommen dürfte die Dienstleistungsfreiheit nur jenen - zum Beispiel niederländischen - Gesellschaften, die erfolgreich einfache Versicherungsprodukte via Postwurfsendung anbieten.

Viel hingegen ändert sich für die Versicherungswirtschaft durch die Umstellung der Versicherungsaufsicht (siehe dazu Seite 16 und 17).

Der Autor ist

Publizist und Herausgeber der Finanznachrichten.

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