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Schwerer Abschied vom „Titus“
Sie ist plötzlich ein Publikumsschlager geworden, nachdem sie zuerst bloß als historischer Mummenschanz abgetan wurde: Die Krönungsoper Kaiser Leopolds II. zunr König von Böhmen, „La Clemenza di Tito“, Mozarts letztes Meisterwerk, hat auch heuer bei den Salzburger Festspielen einen Bombenerfolg geerntet.- Die Wiederaufnahme in der Felsenreitschule ist sogar noch interessanter, geschlossener und intensiver geraten als bei der Premiere 1976.
Man muß das wohl James Levine, dem jungen Chefdirigenten der New Yorker Metropolitan Opera, zugute halten. Das Sängerensemble ist dasselbe wie 1976, und so merkt man, wie alle Angst vor übertriebenem Ausdruck, alle Angst vor leidenschaftlicher Übertreibung in der Darstellung dieser Partitur gewichen sind. Sie spielen mit totalem Einsatz, gehen aufs Ganze, ohne Angst zu haben. Gesang und Darstellung der Mordintrige, die die schöne Vitellia aus gekränkter Eitelkeit gegen den römischen Kaiser Titus anzettelt, verwachsen zu einem optisch aufregenden Ganzen. Vor allem Levine versteht es, Mozarts Tempi sicher zu wählen, Orchesterfarben mit viel Geschmack auszuspielen. Darf man sagen, daß Levine so etwas wie einen neuen Mozartstil schafft? Ich halte das für keine Übertreibung.
Allerdings bietet Ponnelle, zum Unterschied zu seinem danebengegange nen Don Giovanni und seinem verschnörkelten „Sant’Alessio“, hier geradezu eine Wohltat. Seine Regie ist hier sparsam. Er setzt Situationen, also all die Intrigen, Haßgefühle, Enttäuschungen in feierliche Bewegung und große Gesten um. In Bewegung, die dieser Oper genau zu Gesicht steht. Und dieses Bühnenbild ist, seit Jahren erstmals, eine Meisterleistung Ponnel- les: Der Titusbogen in barocker Abwandlung, in die Arkaden der Felsenreitschule hineingebaut. Dazu prunkvolle Kriegsembleme. Selbst die Arkaden werden szenisch richtig eingesetzt.
Die Sängerschar ist auch heuer attraktiv, so daß man bedauern muß, daß diese glanzvolle Produktion im nächsten Jahr abgesetzt werden soll: Werner Hollweg (Titus) und Tatjana Troyanos (Sextus) spielen packendes Opera-seria-Theater von edler Gemessenheit. Carol Neblett fällt dagegen als Vitellia ab. Die Mozartfarbe und der Mozartausdruck fehlen ihr, obwohl sie die schwierigen Koloraturen perfekt beherrscht. Vorzüglich besetzte Nebenpartien. All diese Sänger machen jedenfalls eine der gefürchtetsten Opern zu einem Ereignis, so daß man keine Minute Langeweile empfinden kann. So muß man jene Werke Mozarts aufführen, denen man bisher nachgesagt hat, daß sie kaum aufführbar seien.
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