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Zentrifugale Kräfte stärken

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Interessanterweise liegen die größeren Städte meist in einer Geländemulde (Donautal, Grazer oder Klagenfurter Becken...). Wie in einem großen, weiten Trichter sickert und fließt vieles, was beweglich ist, in diese Mulde — in die Städte: Menschen, Güter, Arbeitsplätze, Finanzmittel... Welche Probleme aber schafft das?

Grundsätzlich ist man sich ja einig, daß der ländliche Raum lebenswert bleiben muß. Zum lebenswerten ländlichen Raum gehören aber: Arbeitsplätze in zumutbarer Entfernung (der Ausbau der Pendlerstraßen ist zwar notwendig, aber doch erst die zweitbeste Lösung), Erhaltung der dörflichen Gemeinschaft, ausreichende Infrastruktur. Und zu Letzterem benötigen die ländlichen Gemeinden viel Finanzkraft, die sie meist nicht haben. Denn Finanz- und Produktionskraft sammelt sich in den Zentren, wenn nicht gezielt dagegen gesteuert wird.

# Das beginnt mit der Abwanderung der Erwerbsfähigen. Kinder wachsen am Land auf, Eltern und Gemeinden tragen im wesentlichen die Kosten des Heranwachsens und der Ausbildung. Nach der Schul- bzw. Lehrzeit, dem Beginn der echten volkswirtschaftlichen Produktivität des Ausgebildeten, wandern viele ab in die Zentren.

# Das geschieht täglich durch Kaufkraftabschöpfung. Viele Landbewohner kaufen in der Stadt ein. Das schafft dort Arbeitsplätze — mit allen damit verbundenen Steueraufkommen (Gewerbesteuer, Lohnsummensteuer).

Freilich geht der Preisgewinn, der bei manchen Produkten vielleicht gegeben ist, durch den nötigen Zeitaufwand und durch Fahrtkosten wieder ganz oder teilweise verloren.

# Das wird durch Aufteilung der Gemeindeanteile an Bundesmitteln nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel noch weiter verstärkt. Dieser besagt, daß pro Kopf der Gemeinde ein nach der Bevölkerung ansteigender Betrag überwiesen wird. So erhielten 1981 Gemeinden in Ober Österreich, die bis zu 1000 Einwohner hatten 2190, Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern jedoch 4399 Schilling.

Dieser abgestufte Bevölkerungsschlüssel stammt aus dem Jahr 1920. Er hatte damals sogar ein Verhältnis von 1:4,67 zwischen unterster und oberster Einheit. Das derzeitige Verhältnis von 1:2 gilt seit 1955. Geschichtlich ist ein solcher Schlüssel verständlich: Straßenbau, Schneeräumung, Ortswasserleitungen, usw. gab es damals am Land nicht zu finanzieren, heute aber sehr wohl (bis hin zum Tanklöschwagen der — ohnehin freiwilligen — Feuerwehr). Auch der Nachkriegsgrund, Aufbau der zerbombten Städte, ist heute nicht mehr gegeben.

Andererseits kommt es auch zu einer Entvölkerung der Stadtkerne-durch oft mangelhafte Wohnqualität und den Umstand, daß Geschäfts- und Amtsräume den Wohnraum verdrängen. Beides führt zu sprunghafter Wohnbevölkerungszunahme in den Stadtrandzonen. Dieser Weg ist nicht gesund.

Der vorhandenen Trichterströmung muß eine Zentrifugalkraft entgegengesetzt werden. Förderungsmittel müssen in strukturschwache Entwicklungsregionen kanalisiert werden. Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel müßte vielleicht sogar umgekehrt werden, um ein Gegengewicht zu den anderen, schwieriger zu steuernden Stadtflußkomponenten zu setzen.

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