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Amnestie wider die Zeit
Es gibt kaum eine Maßnahme Kaiser Karls von Österreich, die so sehr im Meinungsstreit stand, wie seine Verfügung vom 2. Juli 1917, welche die aus politischen Gründen von Militärgerichten Verurteilten begnadigte und die noch anhängigen Verfahren niederschlug. Es liegt in der Natur der Sache, daß später einfach alles, was der Kaiser während seiner kurzen Regierungszeit unternahm, im Licht der abschließenden Katastrophe gesehen und daher jedenfalls als Beweis seiner Schwäche oder wenigstens Hilflosigkeit betrachtet wurde.
Für die Donaumonarchie stand das Frühjahr 1917 im Zeichen schwerer Gefahren. Noch erschien die militärische Lage, abgesehen von der türkischen Front, günstig. Aber der Versuch Kaiser Karls, mit Hilfe seines Schwagers, des Prinzen Sixtus von Parma, zu einem Kompromißfrieden zu gelangen, war gescheitert und — noch weit schwerwiegender! — im April waren die Vereinigten Staaten in den Krieg eingetreten, wenn auch zunächst nur gegen Deutschland.
Auf dem Gebiet der österreichischen Innenpolitik stand Kaiser Karl ebenfalls unter dem Eindruck eines gescheiterten Versuches. Der erste von ihm ernannte Ministerpräsident, Graf Glam-Martinitz, war mit einer vom Monarchen gewünschten Politik des nationalen Ausgleiches und der nationalen Versöhnung erfolglos geblieben, obgleich er, gleichsam als Vorleistung, den seit März 1914 vertagten Reichsrat wieder einberufen hatte. Die „staatsrechtlichen Erklärungen“, welche die Wortführer der nichtdeutschen Nationalitäten abgegeben hatten, waren nicht — noch nicht — offen staatsfeindlich und irredentistisch, verrieten aber extrem nationalstaatliche Anschauungen und eine bis zum Haß gesteigerte Abneigung gegen die bisherige Ordnung. Dem stand auf der Seite der deutschsprachigen Parteien ein kaum minder verhängnisvolles starres Festhalten an dem bestehenden Verfassungszustand entgegen. Graf Clams Nachfolger, Freiherr v. Seidler, mußte unter diesen Umständen wohl oder übel den sogenannten „deutschen Kurs“ einschlagen, freilich ohne große Begeisterung.
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