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Die Kommunisten im Dilemma

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Früher gab es eine Partei, die immer recht hatte - heute sind es zehn Parteien, die immer recht haben”, stöhnte einer der Spitzenfunktionäre der PDS, der „Partei des demokratischen Sozialismus”, die am letzten Wochenende in Berlin auf ihrem Parteitag ihre Identität finden und ihren Weg in die Zukunft festlegen wollte - Ex- und Neo-Kommunisten, Pragmatiker und Frustrierte, die vor allem eines verbindet: die Ablehnung alles dessen, was ihnen die Wende von 1989 ins Haus gebracht hat.

Wer geglaubt hatte, daß der orthodoxe Marxismus durch den Zusammenbruch des Ostblocks und speziell der DDR endgültig ins Grab gesunken wäre, wurde hier eines andern belehrt. Sarah Wagenknecht, die attraktive 25jährige Sprecherin der Kommunistischen Plattform, sprühte vor klassenkämpferischem Zorn und konnte nur mit knapper Mehrheit aus dem Vorstand ausgeschlossen bleiben. Als Bürgerschreck kam dafür die grünfrisierte Angela Marquardt, ehemalige Hausbesetze-rin, hinein.

Lothar Bisky, Parteichef und einst Rektor der Filmhochschule in Babelsberg, Fraktionsführer Gregor Gysi lind Ehrenvorsitzender Hans Modrow, letzter Ministerpräsident der DDR, bemühten sich krampfhaft, ihr Konzept einer linkssozialistischen, streng demokratischen Partei - die auch für den Westen wählbar wäre - den 430 Delegierten schmackhaft zu machen. Nur mit Mühe bekamen sie den Passus durch, wonach Stalinisten nichts in der Partei zu suchen hätten - aber die Formulierung, daß auch Anti-kommunisten in der PDS willkommen wären, fiel durch.

Andrerseits konnte auch ein Bundesgeschäftsführer, der 19 Jahre für den Stasi gearbeitet hatte, nur mit knapper Mehrheit verhindert werden.

Ideologen und Pragmatiker bestimmten die Diskussion - die Masse dürfte dagegen von jenen Ex-

DDR-Bürgern gestellt worden sein, die in den vergangenen 40 Jahren irgendwie in „Staatsnähe” kamen und nun nicht einsehen können, daß dies heute seine negativen Wirkungen hat.

Und wer wäre nicht in diese Nähe gekommen? Die in ihren Augen „rücksichtslose westdeutsche Kolonisierung im Anschlußgebiet” wird noch lange dafür sorgen, daß die PDS in den „neuen Bundesländern” ihre Wähler findet. Vorausgesetzt, daß sich die Nachfolgepartei der SED nicht in ihre Flügel auflöst — die bisher auf Westdeutschland beschränkte DKP beginnt bereits, ihre Organisation im Osten auszubauen.

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