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Hölderlin und der Friede

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Oft sagt man, die Menschen sprechen am häufigsten von jenen Dingen, die ihnen abgehen, das müßte seine Richtigkeit hinsichtlich des Friedens halben, denn die Überflutung des Büchermarktes mit Friedensliteratur ist ungeheuer. Beachtung verdient die Koproduktion der beiden katholischen beziehungsweise evangelischen Verlage Grünewald und Kaiser, die im „Streit um den Frieden“ Pädagogen, Physiker, Theologen, Germanisten “und freie Schriftsteller über den Frieden debattieren lassen. Jutta von Graevenitz plädiert für die erzieherische Steigerung der Friedfertigkeit mittels Freudscher Tiefenpsychologie. Sie zitiert auch Freud, doch nicht dessen Äußerung, eine Unterdrückung der aggressiven Tendenzen sei unmöglich und eine Gemeinschaft der Vernunft als Mittel der Kriegsverhütung sei eine Utopie. Carl Friedrich von Weizsäcker analysiert alle Wege zum Frieden, spricht dem Landesverteidiger die Moral ab und bekennt sich zur Kriegsdienstverweigerung. Der

Franzose Pierre Berteaux betrachtet Hölderlins Hymne „Friedensfeier“, die durch den Frieden von Lune-ville 1801 angeregt wurde und in schwer verständlichem Gegensatz zu des Dichters Verherrlichung des Tyrannenmordes und Befreiungskrieges steht. Deshalb' muß Berteaux zugeben, daß Hölderlins Gedanken „als Ideen kaum noch brauchbar“ sind. Ein hitziger Dialog zwischen dem Hamburger Kriegsdienstverweigerer Klaus von Doh-nänyi und dem Schweizer Martin Walser kreist um „Macht und Geist im Streit um den Frieden“, wobei Dohnänyi einen von seinem Gesprächspartner bestrittenen voraussetzungslosen Geist annimmt. Lesenswert der Seitenblick auf den offensiven Geist von Langemarck im eroberten Land und auf den defensiven Geist der Franzosen an der Marne, der Russen 1812 und in Stalingrad im eigenen Land. Alle diese Beiträge überragt „Der Friede Gottes und der Friede der Welt“ von Karl Rahner SJ., der das „beinahe unübersehbare Feld der Problematik betont, das mit der Frage der Theologie des Friedens zusammenhängt“. Rahner zeigt wissenschaftlich unanfechtbar die Realitäten, in denen die Menschheit lebt, bewahrt verantwortungsbewußt vor falschen und verlockenden Friedensrezepten und bietet einen willkommenen Kommentar zum Zweiten Vatikanum, das heißt zur grundsätzlichen Friedenserhaltung, doch mit Bejahung der aufgezwungenen Notwehr und der Humanisierung des Kampfes. Der „Streit um den Frieden“ ist hoch aktuell und besonders jetzt ein wertvoller Wegweiser unserer Tage durch den Irrgarten von Krieg und Frieden.

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