Plastikflaschen im Vormarsch

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In den Supermärkten werden die Mehrwegbehälter rar. Unternimmt die Politik nichts, ersticken wir bald unter einer Lawine von Plastik-Einweg-Flaschen.

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In den Supermärkten werden die Mehrwegbehälter rar. Unternimmt die Politik nichts, ersticken wir bald unter einer Lawine von Plastik-Einweg-Flaschen.

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Stellen Sie sich einmal vor, dass gegen Ende der Achtzigerjahre die Katalysatorpflicht für PKW nicht über ein Gesetz eingeführt worden wäre, sondern durch eine freiwillige Verpflichtung. Hätte dann heute jeder verkaufte Neuwagen einen Katalysator?

Wohl eher nicht. Denn hätte man die Entscheidung dem Markt überlassen, würden in Österreich hauptsächlich katalysatorlose Autos herumfahren, die zwar weniger kosten, dafür aber die Luft verpesten. Die Umwelt hätte gegen das Preisargument kaum eine Chance. Im Nachhinein kann man von Glück sprechen, dass sich die Politiker durchringen konnten, Konsumenten und Industrie zum Umweltschutz zu zwingen.

Anders sieht es heute bei den Getränkeverpackungen aus. Als im Jahr 1995 die gesetzliche Verpflichtung für die Abfüllung von Mineralwasser in Mehrweg-Glasflaschen fiel, ist die letzte Vorschrift zum Schutz der Mehrwegsysteme gefallen.

Der Anteil der in Mehrweggebinden abgefüllten Getränke sank rapide ab. Betrug der Mehrweganteil 1985 noch fast 80 Prozent und 1997 noch etwa 60 Prozent, so ist er im Jahr 2000 bereits auf 50 Prozent gesunken. Obwohl einige führende österreichische Getränkeabfüller weiterhin auf Mehrweg setzten, gewannen Einweg-PET-Flaschen stark an Boden und drohen heute sämtliche Mehrwegsysteme aus den Regalen zu verdrängen.

Auch das kurze Comeback der Milch-Mehrweg-Glasflasche Anfang der 90er Jahre ist sang- und klanglos gescheitert. Das mit viel Vorschusslorbeeren bedachte Produkt konnte sich nicht etablieren und wurde von den Milchproduzenten still und leise wieder abgeschafft.

Die Verpackungszielverordnung legt Quoten fest, die wahlweise durch Wiederbefüllung oder durch Recycling zu erfüllen sind. Bisher hatten für die unterschiedlichen Getränke jeweils unterschiedliche Ziele gegolten. So war für 2000 eine getrennte Sammlung und Verwertung von 96 Prozent der Verpackungen bei Mineralwasser, 94 Prozent bei Bier und 83 Prozent bei Limonaden vorgeschrieben. Bei allen anderen Getränken betrug die Quote 80 Prozent.

Die für das Jahr 2000 in der Verordnung festgeschriebenen Getränkezielquoten wurden laut Umweltministerium aufgrund steigender Einweganteile nicht erreicht. Erwartet wurde daraufhin, dass der Umweltminister Molterer die hierfür notwendige Abgabebeschränkungen erlässt.

Ohne Sanktionen wird es nicht gehen Viele Abfallexperten fordern eine Abgabe auf Einwegflaschen, beispielsweise nach finnischem Vorbild. Dort gibt es zwei Arten der Abgaben - eine hohe auf Einwegflaschen, die nicht gesammelt werden, eine niedrigere auf Einwegflaschen, die zurückgenommen werden. Mehrwegsysteme unterliegen nicht der Abgabe.

Die lenkende Wirkung dieser Abgabe zeigt das Beispiel der deutschen Stadt Kassel. Zwei Jahre nach der Einführung der Verpackungssteuer wurden noch Einnahmen von eine Million DM erzielt, drei Jahre später war es nur mehr ein Viertel davon.

Das Beispiel zeigt, dass die Verpackungssteuer als Maßnahme zur Stärkung von Mehrwegsystemen zielführend ist. Als weiteres Instrument zur Unterstützung der Mehrweggetränkeverpackung sehen Umweltexperten eine Festlegung von Mehrwegquoten in einer Verordnung.

Alle diese Möglichkeiten wurden verabsäumt. Stattdessen hat man sich gemeinsam mit der Wirtschaftskammer auf eine Novelle der Zielverordnung und auf eine freiwillige Vereinbarung geeinigt. Demnach soll für alle Getränke künftig eine reduzierte Quote von 80 Prozent gelten. Diese Vereinbarung "verpflichtet" weiters die Wirtschaftskammer Österreich jährlich zur Erstellung eines Berichts über die Erhaltung von Mehrwegverpackungen. Die in der Verpackungszielverordnung vorgesehenen Sammelquoten können aber nur mit einem "Berechnungstrick" erreicht werden.

Die Quote, heißt es in der Verordnung, errechne sich aus der Summe der Mehrweggebinde und der Einweggebinde. Skandalös ist aber, wie hier gerechnet wird: die Bezugsgröße ist nicht mehr das Abfüllvolumen, sondern das Gewicht. Das schwerere Glas trägt somit wegen der hohen Sammelquoten viel mehr zur Gesamtquote bei als die leichteren Einweg- PET- und Verbundverpackungen, die wieder im Restmüll landen.

Die Arbeiterkammer hat hierzu berechnet, dass durch die neue Verordnung die Müllgebühren um 10 bis 15 Prozent steigen werden. Ein Haushalt wird im Schnitt um 300 Schilling pro Jahr mehr zahlen müssen, da sich der Müllberg an Kunststoffeinwegflaschen jährlich verdreifachen wird. Und das ganze ohne Sanktionen: Denn die Wirtschaft, die die Ziele bisher nicht eingehalten hat, darf sich in Zukunft auch weiterhin selbst kontrollieren.

Dabei spricht vieles für eine Förderung umweltfreundlicher Verpackungen - wie Mehrweg-Glasflaschen oder auch Mehrweg-PET-Flaschen. Mehrwegverpackungen verbrauchen deutlich weniger Rohmaterial und sparen Energie im Vergleich zur Einweg-Recyclingflasche.

Die Vorteile nehmen zwar gegenüber dem Recycling mit zunehmender Transportentfernung ab. Doch das wird erst bei Entfernungen von mehr als 600 km relevant. Mehrwegverpackungen werden bevorzugt in der regionalen Produktion verwendet und sichern damit auch Arbeitsplätze.

Kleinbetriebe werden ins Abseits gedrängt Da aber Mehrweg im Handel höhere Logistikkosten verursacht, hat dieser ein starkes Interesse daran, Produkte in Mehrwegverpackungen zurückzudrängen oder sogar aus dem Sortiment auszulisten. Vor allem die großen Lebensmittelketten verfügen in Österreich über eine enorme Marktmacht gegenüber der eher mittel- bis kleinbetrieblich strukturierten abfüllenden Industrie.

Das bringt wiederum Kleinbetriebe in eine schwierige Lage, da die Umstellung auf Einweg-Abfüllanlagen kaum finanzierbar ist. Somit "befreien" sich größere abfüllende Betriebe von ihren kleinen Konkurrenten und vermeiden so auch eine Aussage zur Förderung von Mehrweg.

Auch der sich wandelnde Lebensstil vieler Konsumenten - Zuspruch zu Convenienceprodukten und Anstieg der Singlehaushalte - sprechen für ein angemessenes Gegensteuern. Es sollte aber auch weiterhin die Wahlmöglichkeit zwischen unterschiedlichen Produkten geben.

Jedoch nur durch eine breite Unterstützung der Politik kann dem Konsumenten die Mehrwegverpackung als die bessere Alternative schmackhaft gemacht werden. Mit entsprechenden Vorgaben kann man auf eine gezielte Information, verbesserte Präsentation und eine entsprechende Preispolitik des Handels hoffen. Die Zahlen zum Rückgang von Mehrwegverpackungen zeigen jedenfalls, dass die Zeit zum Handeln drängt.

Die Autoren sind Abfallexperten des Österreichischen Ökologie-Instituts für angewandte Umweltforschung. Aktuelle Projekte des Ökologie-Instituts unter http://www.ecology.at

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