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Nur schöne Vorsätze

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Rund um das Bier wollte man sich eigentlich zur Mittagszeit zusammensetzen. Doch erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. An dieses grammatikalisch unrichtige, trotzdem aber weitverbreitete Sprichwort wurde man erinnert, als am Montag die Paritätische Kommission zusammentrat.

Für diesen Tag war vorerst nur eine Sitzung des Preisunterausschusses vorgesehen, der vor allem über die Neufestsetzung des Bierpreises verhandeln sollte. Die Forderung der Brauereien wurde von der letzten großen Paritätischen als unzureichend bezeichnet und in den Unterausschuß rückverwiesen. Um es gleich vorwegzunehmen: obwohl die Brauindustrie für diesmal 36 Kalkulationspunkte bis ins letzte vorbereitet hatte, kam es wiederum zu keiner Einigung. Bevor die Bierpreiserhöhung endgültig der großen Paritätischen wieder vorgelegt werden soll, wird noch einmal der Unterausschuß damit befaßt. Wesentlich zielstrebiger waren hingegen die Verhandlungen über eine Preiserhöhung bei Dauerbackwaren. Zu diesem Punkt hatten die Konsumentenvertreter einen Vorschlag ausgearbeitet, der schließlich angenommen wurde und nunmehr eine fünfprozentige Verteuerung für diese Waren vorsieht. Die Konsumentenvertreter waren es auch, die die Erhöhung der Werbegebühren des österreichischen Rundfunks unter die Lupe nehmen wollten, doch ist noch nicht sicher, ob darüber im Unterausschuß weiterverhandelt werden soll. Der ORF ist nämlich — wie könnte es anders sein? — der Ansicht, daß die Erhöhung seiner Werbegebühren vor der Paritätischen überhaupt nicht verhandelt werden sollte.

Daß trotz der Verhandlungen um Bierpreiserhöhung und ORF der Montag nicht typisch österreichisch wurde und diese Themen nur beschränkt publizistisch ausgeschlachtet wurden, hat seinen Grund: Der deutsche „Michl“ kümmerte sich wenig um unsere Biersorgen und noch weniger um unsere alltäglichen ORF-Auseinandersetzungen. Mit der

Aufwertung der deutschen Mark hat er den mühsam erstellten Fahrplan der Paritätischen in arge Bedrängnis gebracht.

Denn diese befaßte sich, unter Vorsitz von Bundeskanzler Dr. Klaus, mit den Konsequenzen der D-Mark- Aufwertung. Klaus, der nach Bekanntwerden des bundesdeutschen Beschlusses am vergangenen Freitag eine unveränderte Schillingparität proklamierte, zitterte um den Bestand einer stabilen Preissituation.

Volksschülern Ins Tagebuch

„Trotzdem“, so versicherte der Bundeskanzler, „wird es zu einem Lohn- Preis-Stopp nicht kommen.“

Um unerwünschte Auswirkungen auf das Preisgefüge in Österreich zu vermeiden, wurden der Vorschlag zeitlich befristeter Zollsenkungen, die Möglichkeit einer Erweiterung der Freilisten, das Vorziehern der Kennedy-Runde und die Einführung weiterer Nettopreise als Empfehlun gen an den Ministerrat weitergeleitet. Da man in der Zeit der Bedrängnis immer wieder zusammenhält, faßten die Konsumentenvertreter den Vorsatz, sich „diszipliniert“ verhalten zu wollen. Industrie und Handel versprachen hingegen, letztlich aber auch in ihrem eigenen Interesse, bei ihren Preiskalkulationen ebenso wie in der Importpolitik ihre Aufgabe, auf eine stabile Preissituation einzuwirken, nie aus dem Auge zu verlieren.

Solche Vorsätze sind gilt und schön, aber sie klingen oft, als ob sie sich ein Volksschüler ins Tagebuch geschrieben hätte. Denn abgesehen von den eingangs erwähnten Verhandlungen im Preisunterausschuß, hat in dieser Woche auch der Lohnunterausschuß verhandelt: Dabei ging es um nicht mehr und nicht weniger als um eine Forderung auf Lohnerhöhung bei den Molkerei-, den Mühlen- und den Bäckereiarbeitem. Diese Berufsgruppen meinen es nämlich „sehr ernst“ und werden auch, wenn sie es als notwendig erachten, ihre Stredikdrohung wahrmachen.

Dadurch befindet sich die Bundesregierung in einem Teufelskreis: auf der einen Seite gilt es, dem gegebenen Wort, daß es zu keinem Preds- Lohn-Stop kommen darf, treu zu bleiben und anderseits will man die Preise stabil halten.

Jedenfalls hat sich der Ministerrat gleich am Tage nach dem prinzipiellen Einverständnis der Sozialpartner in der Paritätischen nochmals mit dem gesamten Fragenkomplex befaßt.

Die Bundesregierung glaiubt, bis zum 5. November eine Lösung finden zu können: An diesem Tag sollen nämlich in der Paritätischen Kommission die Ergebnisse dieser Verhandlungen beraten und behandelt werden. Wenn es den Sozialpartnern so ernst ist, wie sie es behaupten, dann werden nach diesem Mittwoch die ins Auge gefaßten Maßnahmen verwirklicht werden können. Wenn nicht, dann kommt eine Lawine ins Rollen, die zu bremsen kaum möglich sein wird.

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