"Ich bin eine ewig Suchende“

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Als Sport-Präsentatorin im ORF-Fernsehen ist Veronika Stampfl-Slupetzky in einer Männerdomäne tätig. Nun, in ihrer Karenz, widmet sich die zweifache Mutter und ausgebildete "Doula“ der Begleitung anderer (werdender) Mütter. Über ein Leben in zwei Welten.

Vor einem dreiviertel Jahr noch hätte sie sich um diese Zeit langsam Richtung Küniglberg aufgemacht. Spätestens um 12 Uhr wäre sie im ORF-Zentrum eingetroffen, hätte sich einen kurzen Überblick über die neuesten Sportereignisse verschafft, wäre um 13 Uhr in einer ersten Sitzung über den geplanten Sendungsablauf gesessen, hätte sich ab 16 Uhr erste Stichworte für ihre Präsentation notiert, wäre um 17 Uhr zu jener Sitzung erschienen, wo die abendlichen Headlines fixiert werden, hätte dann ihre Moderationstexte verfasst, wäre in ein pfiffiges Outfit geschlüpft und Richtung Maske marschiert, hätte schließlich nach der Zeit im Bild im Sportstudio Platz genommen, ihr sympathischstes Kameralächeln aufgesetzt und halb Österreich live mit den Worten "Herzlich willkommen beim Sport“ begrüßt. Nervosität wie vor einer Schularbeit hätte sie dabei keine verspürt. Nur etwas freudige Anspannung.

Heute hält Veronika Stampfl-Slupetzky ihre bald acht Monate alte Tochter Rosa im Arm, sortiert nebenbei den Bagger- und Autofuhrpark ihres dreijährigen Sohnes Paul, der gerade im Kindergarten ist - und strahlt: "Ein Kind zu haben, ist das Tollste und Schönste, was einem passieren kann,“ sagt sie und lächelt so herzlich wie ehedem vor der Kamera. Das sagt sie nicht nur als zweifache Mutter. Das sagt sie auch als eine, die aufgrund ihrer Erfahrung andere Mütter und Jungfamilien berät und begleitet.

Ohne "Beachgirls“ und "Tennis-Pin-ups“

Was will ich? Was stiftet Sinn? Was macht ein geglücktes Leben aus? Das sind die Fragen, die Veronika Slupetzky seit jeher umtreiben. "Ich war und bin eine ewig Suchende“, sagt sie über sich selbst. Als Jugendliche sieht sie ihren Lebenstraum vor allem darin, Journalistin zu werden. Schon vor der Matura bewirbt sich die gebürtige Wienerin bei Medien, beginnt schließlich das Publizistik-Studium und landet im Rahmen der Katholischen-Medien-Akademie beim ORF. 1998 wird sie freie Mitarbeiterin im Radio, zwei Jahre später beginnt die sportinteressierte junge Frau nach einem erfolgreichen Casting in der TV-Sportredaktion. Ab 2003 präsentiert sie regelmäßig die abendlichen Sportnachrichten. Als einzige Frau.

"Ich hatte schon das Gefühl, dass die ein bisschen weibliche Unterstützung brauchen“, sagt sie augenzwinkernd und erzählt von ihren Bemühungen, in der Männerbastion Sport etwas mehr Gendersensibilität in Wort und Bild zu erreichen. Begriffe wie "Beachgirls“ oder "Tennis-Pin-ups“ seien ihr nie über die Lippen gekommen, sagt Stampfl-Slupetzky. Auch den Sportjournalismus insgesamt habe sie für sich neu zu definieren versucht. "Sportjournalisten waren oft extreme Fans oder verhinderte Sportler. Doch meine Intention war immer, dass Sport auch ein ganz normaler, qualitativ hochwertiger Journalismus sein kann.“

Die Arbeit vermag sie lange Zeit auszufüllen - und doch keimen in ihrem Hinterkopf immer öfter Zweifel, ob das alles ist. Als sie 2008 eine sterbende Verwandte in einem Hospiz besucht, ist sie von dieser stimmigen Situation ergriffen. Die im dritten Monat schwangere Frau, die gerade erst ORF-Kameramann Jens Stampfl geheiratet hat, beginnt im Wiener Kardinal König Haus einen Kurs zum Thema Sterbebegleitung - und stößt schon bei der Vorstellungsrunde auf Verwunderung. "Die Leute haben mich gefragt, wie ich mich in diesem Zustand mit dem Sterben beschäftigen kann“, erzählt sie. "Aber ich habe gesagt, Geburt und Tod, das gehört für mich einfach zusammen.“

Bis Jänner 2009 dauert der Kurs, zwei Wochen später erlebt die junge Frau eine traumatisierende Entbindung mit ungewolltem Kaiserschnitt. "Es hat lange gedauert, bis ich das verarbeiten konnte“, erinnert sie sich. Ihre spätere Ausbildung zur "Doula“ (altgriech. "Dienerin der Frau“), zur Begleiterin und Betreuerin werdender Mütter während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, gehört zu dieser Aufarbeitung dazu.

"Mothering the mother“, "die Mutter bemuttern“ lautet das Schlagwort für diese Tätigkeit, die in Österreich von rund 50 Frauen ehrenamtlich ausgeübt wird. Zum einen deshalb, weil die Grundidee darin besteht, dass sich jede Frau diese Unterstützung leisten können soll. Zum anderen, weil die gewerbliche Einordnung dieses Dienstes durch die Wirtschaftskammer noch nicht abgeschlossen ist. "Es handelt sich derzeit eher um eine Berufung als um einen Beruf“, sagt Stampfl-Slupetzky.

Austausch von Mutter zu Mutter

Anders als Hebammen, die auch für medizinische Belange zuständig sind, geht es bei den Doulas vor allem um den emotionalen Austausch von Mutter zu Mutter. Bislang wird diese Unterstützung vor allem von Frauen in Anspruch genommen, die sich im Krankenhaus keine Wahlhebamme leisten können oder wollen - oder die sich für eine Hausgeburt entschieden haben, bei der die Doula die Hebamme entlastet. Stampfl-Slupetzky selbst hat ihre nächste, betreute Geburt für Juli 2012 vorgemerkt. In der Zwischenzeit koordiniert sie die Anfragen, die über die Hompage www.doula.at einlangen - und bietet Hilfe zur Selbsthilfe für Frauen an, die wie sie selbst an einem ungewollten Kaiserschnitt leiden.

Ihre Erfahrungen weiterzugeben, Rat und Trost zu spenden - das ist es, was ihr heute unendlich viel gibt. "Insofern habe ich schon das Gefühl, dass ich irgendwie angekommen bin“, sagt Veronika Stampfl-Slupetzky und legt ihre schlafende Tochter ins Bett.

Spätestens im Herbst 2013, wenn ihre Karenz zu Ende geht, wird sie dann auch wieder diese andere Welt hoch oben auf dem Küniglberg betreten. Sie wird sich - wahrscheinlich Teilzeit - um einen gendersensiblen, professionellen Journalismus bemühen. Und sie wird wieder aus dem Fernseher lächeln. Im Wissen, dass Erfolg nicht alles ist.

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