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Die Energie vom Sarg

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Sterben ist teuer. Nicht der Abschied vom Leben an sich, sondern die folgenden Vorgänge der Bestattung, die ein relativ konkurrenzloses Geschäft sind. Die trauernden Hinterbliebenen, die häufig noch keine Erfahrung mit den Tarifen haben und in ihrer Verfassung auch nicht zu feilschen bereit sind, wundern sich später darüber, was es so alles kostet, einen geliebten Menschen halbwegs ehrenvoll unter die Erde oder in die Urne zu bringen. Die Österreicher, denen eine „schöne Leich” stets ein Anliegen war, dürfen sich da nicht lumpen lassen.

Andererseits hat schon der kaiserliche Aufklärer Joseph II. seine Landsleute bei Begräbnissen sparen gelehrt und sich damit schon im 18. Jahrhundert unbeliebt gemacht. Im Wiener Bestattungsmuseum ist das Modell des josephinischen Sparsargs zu sehen, einer durchaus des makabren Prunks nicht entbehrenden Totenkiste mit aufklappbarem Boden. Sobald die Einsegnung am Grab vorbei war, wurde der Mechanismus dieses Klappbodens betätigt, der Tote fiel in die Erde und der Sarg wurde zur weiteren Verwendung heraufgezogen. Ein Recycling der sparsamen Art.

Dem Kaiser wurde das als Geiz ausgelegt und ebenso wie einige andere seiner Säkularisationserlässe bald wieder abgestellt. Heute sind wir der Ansicht, daß auch der Ärmste zumindest einen Holzsarg verdient.

Doch wie allen Wirtschaftszweigen in der EU droht auch hier der heimischen Restattungsindustrie demnächst harte Konkurrenz, falls sich die Grenzen wie bei Marmelade oder Milch öffnen und das Privileg fällt. Die Särge nämlich könnten wesentlich billiger werden. Nicht etwa daß zum Schrecken der Umweltschützer die erfindungsreichen Deutschen eine Spritzgußmaschine entwickelt hätten, die den Billig-Deko-Sarg aus PVC herstellt. Alles, was unverrottbar ist oder den Boden vergiftet, scheidet sicherlich aus und kann mit Recht mit keiner Zulassung rechnen. Obwohl auch schon bisher Kreuze und mancherlei Zierat auf Holzsärgen aus Kunststoff sind. Aber der Vollkunststoffsarg ist nicht die Zukunft dieser Marktlücke.

Vielmehr ist es der Pappendeckel-Sarg. Denn Pappe läßt sich heute bereits so verfestigen und präparieren, daß man ja bekanntlich sogar Möbel daraus herstellt. Und daher steht nun der deutsche Pappe-Sarg preisgünstig an der Einfuhrgrenze. Er sieht übrigens gar nicht übel aus. Pappe verrottet im Erdreich umweltfreundlich, falls sie keine schädlichen Zusatzstoffe enthält.

Seit aber die Kirche keine Reden-ken gegen die Feuerbestattung hat und viele Christen lieber platzsparend in einer Urne bestattet werden wollen, gibt es mit dem pappendeckelgefertigten Toten-Sparpaket unerwartete Schwierigkeiten. So sparsam und umweltfreundlich ist die Pappe doch nicht. Denn um im Krematorium ein richtig heißes Feuer zustandezubringen, so die Experten, ist der hohe Heizwert des Holzsarges unerläßlich.

Da also die Sargpappe zu wenig Hitze erzeugt, muß mit noch mehr Öl oder Gas kräftig zusatzgefeuert werden. Das kostet Energie und macht als Zusatzkosten die Vorteile des Pappsarges wieder wett. Es sei denn, es gelänge den ideenreichen Billigsargfabrikanten die Pappe heizfreundlicher zu präparieren.

Bleibt denn doch wieder lieber Erde zu Erde. Wobei sich jene schauervolle Ahnung, die bisher manche Menschen beim Anblick größerer Holzkisten befiel, nun in unerwarteter Weise ausdehnt. Jede Pappschachtel erinnert künftig an die letzte Stunde. Und da eine Bestattungs-Innovation so ziemlich das letzte ist, wovon ein echter Österreicher träumt, werden nun manche den Betrag für einen stattlichen Holzsarg beizeiten ansparen und sich testamentarisch den Pappesarg verbieten. Denn eine Erinnerung an den Knauser-Kaiser Joseph II. kann sich eine Regierung mit noch so vielen Sparpaketen nicht leisten.

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