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Diplomatie der Teilerfolge

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Der Reise von Papst Johannes Paul II. in sein Heimatland sehen nicht nur die Warschauer Kommunisten mit nervoser UngewiBheit entgegen. Schliefllich sind die Folgen dieses Besuches unabsehbar - vor allem auch was die Weichenstellungen an-geht, die sich daraus fur die Ostpolitik des Heiligen Stuhles ergeben konnten.

Grund genug, sich mit diesem au-Berst delikaten Bereich vatikani-scher Diplomatie genauer zu befas-sen. Am 18. Mai warGelegenheit dazu - bei einer Veranstaltung der Katholischen Medienakademie im Bil-dungshaus Wien-Neuwaldegg, die der „Ostpolitik des Vatikans“ ein ganztagiges Seminar widmete.

Hansjakob Stehle, Korrespondent des Westdeutschen Rundfunks und des Hamburger Wodhenblattes „Die Zeit“ in Rom, Autor eines umfangrei-chen Buches zum Thema des Seminars, zahlt zu den profundesten Ken-nern der vatikanischen Ostpolitik iiberhaupt. Wie er die Ostpolitik des Heiligen Stuhles unter dem Papst aus Polen einschatzt, erlauterte der Journalist auch auf einem Vortrags-abend des Katholischen Akademi-kerverbandes: „Papst Johannes Paul II. wird den Weg seiner Vorganger weitergehen, zwar mit eigenem Stil, aber mit denselben Methoden.“

Allerdings: Ob der Papst an der di-plomatischen Kontinuitat festhalten kann, ohne einen entscheidenden Bruch herbeizufiihren, ist eine Frage, die sich erst nach der Papstreise be-antworten laBt. Stehle dazu: „M6g-lich ist, daB diese Papstreise in eine innenpolitische Protestdemonstra-tion ersten Ranges ausartet. Das wiirde nicht nur die kommunistische Kirchenpolitik in Polen betreffen, hier sind auch auBenpolitische Konsequenzen abzusehen.“

Denn der Schliissel fiir die vatika-nische Ostpolitik liege in Moskau und dort wurden alle Vorfalle rund um die Papstreise genauestens regi-striert. „SchlieBlich stellt Polen fiir die Sowjets ein permanentes Sicher-heitsrisiko dar“, meinte der Vatikan-experte.

Mit Richtlinien der vatikanischen Ostpolitik beschaftigte sich Robert Prantner, Geschaftstrager der Ge-sandtschaft des Malteser-Ordens in Wien. Er erklarte, daB es auf Grund der unterschiedlichen Situation der katholischen Kirche in den Landern Osteuropas keine einheitliche di-plomatische Vorgangsweise des Vatikans gebe. Deshalb miiBten auch die Konfliktlosungsmodelle ver-schieden sein.

Gepragt sei diese Politik von der Fahigkeit des Vatikans, zu unver-meidlichen Verzichten „Ja“ zu sagen. Denn, so Prantner: „Teilerfolge sind besser als gar keine.“ Und so ziehe die vatikanische Ostdiplomatie das Mog-liche dem Wunschenswerten vor. Dabei habe der Vatikan immer das eine Ziel vor Augen: die Pastoral auch in einem kommunistisch regier-ten Land zu garantieren.

Generaldirektor Hubert Lehner vom Oberosterreichischen Landes-verlag, der sich seit Jahren mit der Lage der katholischen Kirche in den Landern des Ostblocks beschaftigt, bemiihte sich, das Bild der internen Situation in den einzelnen Staaten nachzuzeichnen. Dabei kristallisierte sich eindeutig heraus, was auch Vor-redner Prantner schon unterstrichen hatte: daB die Lage der katholischen Kirche in den einzelnen Landern vol-lig unterschiedlich ist.

„Es gibt eine iibereinstimmende, von Moskau zentral gesteuerte Politik der kommunistischen Regime gegeniiber der Kirche. Es gibt aber ebenso eine differenzierte, je nach-dem, wie stark die Position der Kirche in den einzelnen Landern ist“, meinte Lehner. Nach wie vor wurden alle kommunistischen Regimes eindeutig am dialektischen Materialis-mus und am Marxismus-Leninismus festhalten (Ausnahmen: Jugoslawien und Albanien), den ideologischen Kampf fur den Atheismus fuhren und die kirchlichen Stellen iiberwa-chen.

Das hindere die Kommunisten aber nicht daran, von den Christen die Mitarbeit beim Aufbau des Sozia-lismus zu fordern. Freilich lieBen die Regime diese Zusammenarbeit nur auf der unteren Ebene der Gesellschaft zu, aus hoheren Positionen seien die Glaubigen immer noch so gut wie ausgeschlossen.

Die Diskussion, die der Leiter der Katholischen Medienakademie und FURCHE-Herausgeber Felix Ge-millscheg leitete, brachte weitere Aspekte zum Vorschein. So analy-sierte Stehle in einem Diskussions-beitrag die Haltung der kommunistischen Regime zur katholischen Kirche. Sein Fazit: „Es gibt kaum noch jemanden in der Fiihrung, der sich mit philosophischen Fragen ausein-andersetzt. Im Grunde sind es Agno-stiker, die sich auch nicht fiir den Atheismus interessieren, sondern fiir die Erhaltung der Macht - was fiir sie jegliche Religion zu einem lastigen Ubel werden laBt.“

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