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Ecevits Janusgesich
Die Türken fühlen sich zunehmend verunsichert von der janusgesichtigen Außenpolitik der Regierung Ecevit-Erbakan. Premierminister Buelent Ecevit hat mehrfach beteuert, sein Land wolle Mitglied der nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft bleiben. Gleichzeitig knüpfte er als erster türkischer Regierungschef seit Kriegsende jedoch diskrete Fäden zur Sowjetunion und Bulgarien. Außerdem betreibt sein Kabinett den Aufbau einer nicht in die NATO integrierten nationalen Verteidigung, mit deren Hilfe gegebenenfalls das Zypernproblem und der Streit mit Griechenland um die ölreichen Territorialgewässer in der Ägäis militärisch ausgetragen werden könnten. Ankaras Außenpolitik wird seit dem Amtsantritt Ecevits zunehmend janusgesichtiger, nicht nur auf dem militärischen Sektor. Die Bevölkerung weiß nicht, was sie davon halten soll, daß die Regierung Ecevit-Erbakan einerseits von der „Europäischen Gemeinschaft“ eine Sonderstellung fordert, anderseits aber eine enge politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten propagiert
Besonders der letzte Punkt stößt auf das Mißtrauen der kemalistisch orientierten Bevölkerungskreise und der sich als Gralshüter des Kema-lismus verstehenden Streitkräfte. Seit der Revolution Kemal Atatürks verstand sich die Türkei als europäisches Land. Diesem Selbstverständnis widerspricht alber die von der Regierung angestrebte Wiederannäherung an die arabische Umwelt Die Anlehnung an die EG-Staaten, wo Hunderttausende von Türken Arbeitsplätze gefunden haben, und die Zusammenarbeit mit den arabischen Nachbarn ist nicht unbedingt ein Widerspruch. Doch die Türkei wird von den Arabern immer heftiger zu einer alternativen Wahl zwischen beiden Möglichkeiten gedrängt. Ankara habe zu wählen zwischen Europa und Arabien, heißt es von dieser Seite. Vizepremier Professor Erbakan verhandelt auch bereits mit Saudi-Arabien. Doch er-Riad wünscht zwar ein Kulturabkommen, das unter anderem Erleichterungen für türkische Mekkapilger bringen soll, doch wirtschaftliche Hilfszusagen blieben aus. König Feisal verlangt unter anderem, die Türkei müsse zuerst dem islamischen Sekretariat in Dschidda beitreten. Genau das aber verbietet die laizistische Verfassung des Bosporuslandes, über deren Einhaltung die Streitkräfte wachen.
Als eigentliches Alarmzeichen betrachtet man in politischen Kreisen der anatalischen Hauptstadt jedoch eine syrische Demarche, in der um türkische Waffenlieferungen für Damaskus gebeten wurde. Waffenlieferungen an Syrien, so argumentieren Oppositionskreise, würden die Türkei über kurz oder lang in den Nahostkonflikt verwickeln und stünden zudem in flagrantem Widerspruch zu den NATO-Verpflichtun-gen.
Die Widersprüche in der Außenpolitik des Bosporuslandes sind Ausdruck schwerwiegender Gegensätze innerhalb der Regierungskoalition. Die „Republikanische Volkspartei“ des Ministerpräsidenten Ecevit ist traditionell laizistisch und prowestlich orientiert und gilt heute als sozialdemokratische Partei. Die „Islamische Heilspartei“ des Koalitionspartners Erbakan hingegen, wünscht die Rückkehr zu den muselmanischen religiösen Traditionen. Ecevit kann seine wirtschaftlichen und sozialen Reformpläne jedoch nur mit Hilfe der religiösen Traditionalisten durchsetzen. Ihr Preis ist die Wiedereinführung religiöser Grundsätze in das öffentliche Leben und die Abkehr von Europa. In Ankara fürchten viele alte Kemalisten, Ecevit wolle diesen Preis bezahlen. Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit steht die Armee. In ihr wächst der Unwille gegen die Regierung. Der nächste Militärputsch am Bosporus scheint schon programmiert zu sein.
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