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Fluch des steirischen Mandl

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Der Region wurde taxfrei ein Titel verliehen: „krisengeschüttelt“. Selten hat eine so knappe, vereinfachende Form so zugetroffen. In den letzten zwölf Jahren ist dort beinahe jeder vierte Arbeitsplatz in der Industrie verschwunden. Im letzten Winter gab es 20 Arbeitslose je offene Stelle, etwa doppelt soviel wie im Bundesdurchschnitt.

Die Rede ist von der Ober steiermark, aber man könnte auch die Industriestandorte im südlichen Niederösterreich hinzuzählen und beiderseits der Pack. Alles ehemalige oder noch Bergbaugebiete mit einer uralten Tradition der Eisenerzeugung.

Auch heute dominiert die Grundstoffindustrie, ist es trotz aller Anstrengungen nicht gelungen, ausreichend Alternativen zu errichten. Was der Region fehlt, ist die Anpassung an sich ändernde Bedingungen. Warum?

Es dominieren Großbetriebe, die auf ein oder einige wenige Produkte ausgerichtet und zentralistischer organisiert sind als Großbetriebe, die nicht im Grundstoffbereich tätig sind. Die Unternehmungen bestehen seit langer Zeit und haben ihr stürmisches Wachstum lange hinter sich.

Ein alter Erfahrungsschatz hat sich angesammelt, der unter allen Mitarbeitern verbindlich ist. Wer den etablierten Denkregeln folgt und damit keinen Erfolg hat, wird entschuldigt - der Mißerfolg auf widrige Einflüsse von außen zurückgeführt. Aber wehe dem, der unter Mißachtung etablierter Regeln scheitert.

Der Unterschied zwischen dem Schmelztiegel einer Großstadt mit aller Verschiedenartigkeit ihrer Einwohner und einer Region mit einer langen gemeinsamen Geschichte beschränkt sich nicht auf das Unternehmerverhalten. Auch die Infrastruktur ist längst völlig auf die Bedürfnisse der dominierenden Industrie zugeschnitten. Die meisten Nebenleistungen zum Beispiel sind integriert und werden von den großen

Betrieben selbst wahrgenommen, während anderswo die Zuliefer-firmen viel effizienter am Werk sind.

Die Integration erstreckt sich auch auf viele Bereiche außerhalb des Wirtschaftslebens. Ob Fußballklub, Amateurtheater, Sparverein oder Trachtenkapelle, alles ist „dem Betrieb“ zugeordnet. Weit über den wirtschaftlichen Einfluß dieses Unternehmens hinaus ist die Gesellschaft geschlossen.

Während man anderswo Reind-ling, Krapfen oder Cremeschnitten vorgesetzt bekommt, offeriert die Konditorei von Eisenerz das steirische Wassermandl in Teig und Marzipan. Jenes Wassermandl, das der Sage nach mit seinem „Eisen für immerdar“ einen schrecklichen Fluch über die Obersteirer ausgesprochen hat.

Allmählich nur beginnen sie das zu begreifen.

Der Autor ist Arbeitsmarktexperte im WIFO.

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