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Frohlicher Wanderer

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Bergbauer ist ein Wort, das Emotionen weckt: Der eine denkt dabei an kernige Jodler in stimmungsvoller Gebirgslandschaft, der andere an abgerackerte, bärtige, seltsam fremd aussehende Gestalten, der dritte an Enziangeist... und gar nicht so wenige denken dabei an Politik. Spätestens, seit Bundeskanzler Kreisky hofft, die Volkspartei au/spalten zu können, und dabei an die Bauern, insbesondere an die Bergbauern denkt, sehen sich diese von allen Seiten umworben und hofiert —* leider allerdings nicht honoriert. Denn der Freier von der Regierung sandte zwar einen Hochzeitsbitter in Gestalt eines eigenen, extra für die Bergbauern zuständigen Staatssekretärs, doch hat dieser außer Worten bisher wenig zu bieten gewußt. Staatssekretär Haiden durchwanderte allerdings höchst fotogen die Berggebiete — zufällig war immer ein Reporter in der Nähe — und sicher hat ihm diese Wanderlust gesundheitlich wie in seiner Stellung innerhalb der Partei genützt: ob sie den Bergbauern auch nützte, wird von deren Vertretern vorläufig bezweifelt.

Worum es geht? Von den etwa 360.000 bäuerlichen Betrieben in Österreich sind rund 135.000 Bergbauernhöfe. Nicht alle Bergbauern hausen in einsamer Lage, umgeben von bizarren Felskanten, aber fast alle haben gemeinsame Sorgen: sie können in ihrer geographischen Lage eigentlich nur Vieh züchten, Milch erzeugen und Holz schlagen. Getreide, Zuckerrüben, Mais usw. würden in ihren Gebieten kaum gedeihen. Gerade die letzten Jahre brachten aber emfindliche Preisrückgänge bei Vieh und Holz, und bei der Milch bestimmt der Staat, wie hoch der Preis sein darf. Nur in landschaftlich reizvollen und vor allem in durch Straßen, Wege, Lifte usw. aufgeschlossenen Gebieten kann durch die Vermietung von Zimmern sowie durch. den Verkauf von Brot, Speck usw. an Gäste ein gewisses Nebeneinkommen erzielt werden.

Man könnte nun sagen: Na schön, das Wirtschaften rentiert sich nicht mehr in den Berggebieten, sollen die Bergbauern halt aufgeben! Aber abgesehen von den menschlichen Problemen — (können fünfzigjährige und ältere Bergbauern noch umsatteln?) — würde dem Staat ein Schaden entstehen, dessen Ausmaß nicht absehbar ist: die Alpen würden veröden und verwildern, die Gefahr von Lawinenbildung, t>on Wildbächen würde beträchtlich steigen, der Fremdenverkehr würde schrumpfen, oder müßte von sich aus enorme Investitionen zur Erhaltung der Landschaft tätigen — Investitionen für jene Maßnahmen, die die Bergbauern heute gratis verrichten. Daher sind sich, seltener Fall, Regierung und Opposition eigentlich einig: die Bergbauern müssen erhalten bleiben.

Die Arbeitsgemeinschaft für Berg-bäuernfragen, deren Obmann der Tiroler Bauernbundlandtagsabgeord-nete Astner ist, und das Bergbauern-referat der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern, dessen Leiter Strasser am 12. Jänner in Wien einen vielbeachteten Vortrag hielt, fordern im wesentlichen höhere staatliche Unterstützung bei Wegebauten und Wegeerhaltung, bei Telephonanschlüssen, günstige Kredite zur Modernisierung und Rationalisierung von Betrieben, Maßnahmen zur Sicherung des Absatzes von Rindern und Holz, und eine entsprechende Direktzahlung für bestimmte Leistungen, die der Erhaltung der Landschaft dienen, wie das Mähen. Solche Direktzahlungen werden zwar von der Regierung gewährt, doch beträgt ihre Höhe nur rund 1300 bis 2500 Schilling pro Betrieb — ein Taschengeld also. Eine Erhöhung ist vorläufig nicht absehbar, im Gegenteil: Die Mittel im Budget sind mit 417 Millionen für 1976 gleich hoch wie 1975, was faktisch angesichts der allgemein steigenden Preise einen Rückgang bedeutet.

Fazit bisher: Über Bergbauern wird viel geredet. Und das Problem ihrer Abwanderung ist alt — (was auch Österreichs Fernseher kürzlich in der TV-Verfilmung von Peter Ros-eggers „Jakob der Letzte“ feststellen konnten). Aber außer, einem eigenen Staatssekretär für Bergbauern-fragen hat die österreichische Regierung anno 1976 noch wenig Taten gesetzt ...

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