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Ein ąusschlaggebender Hebelgriff

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Das wirtschaftliche, das soziale Problem für den einzelnen liegt also klar auf der Hand. Die krassen Lohnunterschiede (im Vergleich mit nichtlandwirtschaftlichen Arbeitern), Arbeitszeit, Freizeit, Urlaub, Altersversorgung und anderes mehr lassen sich eben nur bis zu einer bestimmten Grenze von der Liebe zur Landwirtschaft kompensieren. Hier muß einmal der entscheidende Hebel angesetzt werden.

Schwierig: die geistige Umstellung

Natürlich läßt sich eine wirksame Bergbauernförderung nicht allein durch finanzielle Mittel durchführen. Steuerbegünstigungen durch den Einheitswert, billige Kredite, Besitzfestigungsaktien, Verbesserung der Verkehrslage (in Österreich sind noch 70.000 landwirtschaftliche Betriebe ohne geeignete Zufahrt!), die unterstützte Aufforstung von Rückstands- und Hochflächen und anderes mehr — das sind wohl wichtige Förderungsmaßnahmen, allein, sie lösen das Problem nicht vom Grunde her. Auf lange Sicht wirkungsvoller ist da schon die von den Landwirtschaftskammern unterstützte Organisation von sogenannten Umstellungs- und Aufbaugebieten, die folgendes Aussehen hat: ein landwirtschaftlicher Distrikt, der geographisch, verkehrsmäßig und in seiner Agrarstruktur durchwegs einheitliche Voraussetzungen aufweist, wird — selbstverständlich auf freiwilliger Basis der Bauern — zum Umstellungsgebiet X erklärt, womit ein jahrelanger Prozeß einer wirtschaftlichen Umschichtung eingeleitet wird, mit dem Ziel, die Bauern auf jene landwirtschaftlichen Produktionszweige zu bringen, die den natürlichen Produktionsbedingungen des jeweiligen Ilmstellungsgebietes im Zusammenhang mit einer modernen, konkurrenzfähigen Agrarwirtschaft entsprechen. Das liest sich sehr einfach, gehört aber zu den größten Problemen, die sich den mit diesem Komplex befaßten Agrarexperten stellen. Es zählt zum Schwierigsten, das in jahrhundertealter Tradition verwurzelte Bergbauerntum zur primär notwendigen geistigen Umstellung zu bringen, um es wirtschaftlich stark zu machen. Das Selbstversorgerprinzip eines kleinen Bergbauern — einst seine Stärke — läßt sich heute mitnichten mehr begründen. Gegen diesen sich selbst versorgenden Bauern sprechen unter anderem:

• die ungleichen Produktionsvoraussetzungen Flachland—Bergland durch den im Flachland weitaus intensiver möglichen Maschineneinsatz:

• die verkehrstechnische Erschließung selbst der entlegensten Gebiete;

• der eklatante Personalmangel:

• die minimale Verdienstmöglichkeit bei Aufrechterhaltung des Selbstversorgerprinzips :

• die allgemeine land- und forstwirt-

schaftliche Lage, die gerade dem Bergbauern durchweg lukrative Möglichkeiten bei richtiger und rechtdosierter Spezialisierung bietet (Viehzucht, Waldwirtschaft, Fremdenverkehr).

Im Umstellungsgebiet wird nach einem von Agrarexperten erstellten Plan darauf hingearbeitet, schwache Produktionszweige abzubauen (zum Beispiel den vielfach im Berggebiet unrentablen Getreideanbau) und lukrative Produktionszweige aufzubauen, zu stärken und durch verschiedene Maßnahmen zu fördern beziehungsweise dem Bergbauern durch intensive Schulung auch die nötigen theoretischen Grundlagen für eine auf lange Sicht erfolgreiche wirtschaftliche Umstellung zu geben.

Strukturunterschiede in den Ländern

Univ.-Doz. Dr. Otto Gurther hatte im Mai 1962 in Lienz das bergbäuerliche Kernproblem ohne Rücksicht auf Traditionsempfindlichkeiten ungemein sachlich skizziert, als er sagte: „Der Bergbauer ist durch den Produktionsfaktor .Natur’ keineswegs so begünstigt wie der Flachlandbauer. Der Rahmen, den ihm die Natur steckt, ist viel enger und er ist daher von vornherein zu einer einfacheren, speziali- sierteren Betriebsorganisation gezwungen. Trotzdem hat der Bergbauer — historisch gesehen — im Widerspruch zu den natürlichen Produktionsbedingungen meist vielseitig gewirtschaf- tet, und er tut es zum Teil heute noch.”

Welche Produktionszweige stehen nun aber nicht im Widerspruch zu den natürlichen Bedingungen der Bergbauern? Die vorweggenommene Antwort: Viehzucht, Waldwirtschaft, Fremdenverkehr, kommt da freilich nur einer oberflächlichen Faustregel nach, denn einerseits weichen die natürlichen Gegebenheiten zwischen den östlichen und westlichen Berggebieten stark voneinander ab, zum anderen ist es auch die grundverschiedene: Mentalität! eines steirijphetv.etwa und eipes.Vęrąrlįerger Bergbauern. :

Die natürlichen Strukturunterschiede: Mit Klima- und Bodenverhältnissen sind die westlichen Bundesländer (Salzburg, Tirol, Vorarlberg, auch Kärnten) eindeutig im Vorteil. Das trotz der im Vergleich zu Nieder- und Oberösterreich sowie der Steiermark durchweg extremeren Steil- und Höhenlage. So gedeiht in Virgen in Osttirol zum Beispiel prächtiger Weizen noch in einer Höhe von 1250 m, im Glocknergebiet (Heiligenblut) kann auf 1300 m noch ergiebig gemäht werden, in Tirol, Vorarlberg oder Salzburg finden sich auf 2000 m noch herrliche, saftige Almweiden. Anders in den östlichen Bundesländern, wo vielfach auf 1200 m nur mehr für eine landwirtschaftliche Nutzung ungeeignetes Borstgras wächst, das gerade für eine schlechte Älpung noch gut ist. Karge Urgesteinsböden und die ständigen Ostwinde haben zu dieser Benachteiligung geführt und es ist allgemein bekannt, daß die ärmsten österreichischen Bergbauerngebiete im nordöstlichen steirischen Hügelland und im niederösterreichischen Waldviertel nur Durchschnittshöhenlagen von 1000 bis 1200 Meter aufweisen, während in klimatisch bevorzugten Berggebieten Tirols und Vorarlbergs mitunter über 1500 m noch eine blühende Bergbauernwirtschaft keine Seltenheit ist. Das sind regionale Differenzen, die einer Umschichtung zur Spezialisierung ungleiche Voraussetzungen geben.

„Um es mit einem Beispiel zu illustrieren: im Westen beläßt man die Bewaldung in höheren Lagen als im Osten, wo man durch Aufforstungen mit der Waldgrenze heruntergeht, um wenigstens auf lange Sicht den kargen Boden durch Forstwirtschaft einer Nutzung zuzuführen. Sicher ein wesentlicher Faktor für die Tatsache, daß Österreichs Waldfläche in den letzten Jahrzehnten um 200.000 Hektar größer geworden ist.”

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