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Ruckzug und Festigung

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Die landwirtschaftsfremden Erwerber der Bergbauernflächen hatten dagegen hauptsächlich ihr Interesse auf den Wald konzentriert. Um aber genügend Waldarbeiter zur Durchforstung und Wildpflege zu haben, ließen die neuen Besitzer die Bergbauernhöfe zu Forsthuben umwandeln, wo die Beschäftigten mit ihren Familien hausen und im nächsten Umkreis ein kleines Deputatland bewirtschaften konnten. Am Ostrand der Koralpe sind außerdem noch Pachthuben anzutreffen, die vom Gewerbebürgertum der benachbarten zentralen Orte aus finanztechnischen Gründen aufgekauft und den früheren Eigentümern im Pachtverhältnis zur Weiterbewirtschaftung belassen wurden. Diese zunehmende Entsiedelung des Berg-bauerngebietes hatte aber noch weitere entscheidende Auswirkungen. Erstens schrumpfte dadurch das Almwesen sichtbar zusammen, und zweitens wurden die zentralen Punkte des Streusiedlungsareals, aber auch die tiefer im Tal liegenden Marktorte wegen des Bevölkerungsverlustes schwer betroffen.

Die Forsthuben erstrecken sich heute vorwiegend über die Bundesländer Steiermark und Kärnten sowie über die kalkalpinen Landestedle von Ober- und Niederösterreich. Diese Verbreitung hängt eng mit dem früher außergewöhnlich hohen Holzbedarf der in dieser Zone ehemals vorhandenen Kleineisenindustrie zusammen. Die wirkungsvollste Entsiedelung fand überdies beiderseits der hochindustrialisierten Mur-Mürz-Furche statt.

Mit diesem Verbreitungsgebiet der Forsthuben verzahnt sich im Bereich der Niederen Tauern, der Weststeiermark und Mittelkärntens das Ausdehnungsareal der Zuhuben. Weiter im Westen, in Salzburg, dominieren überhaupt die Zuhuben und erbringen dadurch den Beweis, daß sich dort der Existenzkampf der Bergbauern allein im agrarwirt-schaftlichen Lebenskreis vollzog. Deshalb ergeben sich hier auch neuerdings merkbare Anzeichen einer Wiederbesiedelung von Berghöfen. Ähnlich verhält es sich auch im Anerbengebiet des östlichen und mittleren Bundeslandes Tirol.

Völlig andere Verhältnisse treffen wir hingegen im Realteilungsgebiet des westlichen Tirol an. Die hier lange Zeit hin praktizierte weitgehende Aufteilung der Agrarwirtschaften hatte eine Unzahl von Klein- und Zwergbetrieben gebracht. Nun geht man aber daran, die Zahl der Betriebe zu reduzieren und mit den freiwerdenden Flächen andere Hofwirtschaften zu vergrößern. In Vorarlberg dagegen werden die Berghöfe als periodische Sommersiedlungen verwendet: Nach der Heumahd im Talbetrieb wandern die Arbeitskräfte hinauf in den Berg-betrieto, um dort gleichfalls die Heuernte einzubringen. Der betriebstechnische Vorteil ergibt sich hauptsächlich durch die einheitliche Grünlandwirtschaft im Tal und am Berg.

Wir erkennen dadurch, daß es im österreichischen Bergbauernwesen infolge verschiedenartiger wirtschaftlicher und sozialer Voraussetzungen bedeutende regionale Unterschiede gibt. Darum brauchen wir uns also nicht zu wundern, wenn die gegenwärtige Entwicklung starke räumliche Varianten aufweist. Im vorherrschenden, Gebiet der Forsthuben (Mittelkärnten, Steiermark, ober- und niederösterreichische Kalkalpen) geht derzeit unentwegt die Entsiedelung der Bergbauernhöfe weiter. Die gewaltigen Unterschiede des bäuerlichen Einkommens droben am Berghang und des durch mechanisierte Hilfsmittel mehr produzierenden Talbauern, ganz zu schweigen von den Einkommen der Flachlandbauern oder den industriell-gewerblichen Arbeitslöhnen, sind dennoch zu auffällig. Im Verzahnungsgebiet von Forst- und Zuhuben (Niedere Tauem und Stei-rdsches Randgebirge) vollzieht sich augenblicklich eine betriebswirtschaftliche Revolution: Mit Unterstützung staatlicher Förderungsmittel (Grüner Plan) werden die Berghöfe an das Verkehrsnetz angeschlossen, so daß eine produktionswirtschaftliche Konzentration auf die Milcherzeugung sowie die Mastviehzucht und iaimit auch ein Anschluß an marktwirtschaftliche Bedingungen erfolgen kann. Trotzdem werden wegen Personalmangels nicht allein immer mehr Almen dem Samenflug preisgegeben, sondern auch die Zuhuben und Forsthuben im zunehmenden Ausmaß aufgelassen.

Westlich der Linie, die ungefähr zwischen dem oberösterreichischen Almtal und dem kärntnerischen Gailtal verläuft, haben es die Bergbauern etwas besser, da sie sich auf den sommerlichen und winterlichen Fremdenverkehr stützen können. Im westlichen Österreich sind diese Bergbauern bereits schon Fremdenverkehrsbauern geworden, deren aus diesem Verdienstzweig stammenden Reingewinne zur Besitzfestigung, Bevölkerungszunahme und Siedlungsvergrößerung führen.

Die Zukunft der österreichischen Bergbauern hängt, abgesehen von den deutlich aufgezeigten regional unterschiedlichen Faktoren, vorwiegend davon ab, ob im Zeitalter des dndu-striewirtschaftlichen Aufschwungs agrarische Minderheiten auf ein vermehrtes Einkommen im Tal oder im Gebirgsvorland auch dann noch verzichten werden, wenn als Gegenleistung ein Berghof geboten wird, der einem Betriebsprüfer zwar als unrentabel, dem Bergbauern und seiner Familie jedoch als Mittelpunkt allen Denkens wert genug erscheint.

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