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Gegenwartskunst in barockem Rahmen

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Ein außergewöhnliches Museum zeitgenössischer Kunst entstand im oberösterreichischen Zisterzienserstift Wilhering: Es zeigt das Schaffen des Linzer Malers Fritz Fröhlich.

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Ein außergewöhnliches Museum zeitgenössischer Kunst entstand im oberösterreichischen Zisterzienserstift Wilhering: Es zeigt das Schaffen des Linzer Malers Fritz Fröhlich.

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Die Fassade, die Farbe des Verputzes lassen erkennen: Das Gebäude gehört zum Stift Wilhering, die Bundesstraße trennt es jedoch scharf vom Stiftskomplex ab. Wer es geschafft hat, die stark befahrene Straße zu queren, den weist eine bescheidene Tafel — „Fritz-Fröhlich-Sammlung“ - in ein außergewöhnliches Museum zeitgenössischer Kunst: Gegenwartskunst im barocken Rahmen eines Stiftes, und doch abgerückt; ein Beitrag zum Dialog Kunst und Kirchg; Konfrontation, jedoch nicht äbf Basis von Abwehr, sondern Akzeptanz.

Im Haus Wilhering Nr. 5, einem der ältesten Gebäude des oberösterreichischen Zisterzienserstiftes bei Linz, mit gotischem Kern und Erweiterung 1654, wird ein Querschnitt durch das Werk des bekannten Linzer Malers Fritz Fröhlich gezeigt.

Die Sammlung drängt sich niemandem auf. Um Einlaß zu finden, muß erst der Schlüssel besorgt werden. Die Räume sind weiß gekalkt, die alten Bretterböden wurden belassen, die Steinstiegen sind abgetreten. Die Räume wirken ruhig, fast behaglich.

Langsam treten dem Betrachter die Bilder entgegen und lassen ihn nicht mehr los. Bild um Bild muß langsam betrachtet und erfaßt werden.

Hier wurde einem Künstler Raum gegeben, dem es in seinen Bildern um die Wirklichkeit hinter den Dingen geht, der das menschliche Dasein mit malerischen Mitteln analysiert und hinterfragt. Menschen treten aus der Bildebene heraus, werden aus der Geschichte in die Gegenwart gezerrt, Alltagsgestalten aus scheinbarer Bedeutungslosigkeit herausgehoben, zu traurigen Hel den erhöht.

Fröhlichs Figuren agieren in Bühnenräumen, sind voll Geheimnis und Rätselhaftigkeit, und doch eingeengt und begrenzt. Der Künstler zeigt die Menschen in ihrer Anfälligkeit, schildert die menschliche Seinsweise als permanente Krise. Und trotzdem leuchtet Humor auf, ein gutmütiges oder schalkhaftes Gesicht deutet auf eine positive Wende.

Der Gang durch die Sammlung ruft einen Satz von Papst Johannes Paul II. in Erinnerung: „Die

Kirche braucht die Kunst, und zwar nicht zuerst, um ihr Aufträge anzuvertrauen und so ihren Dienst zu erbitten, sondern um mehr und Tieferes über die .Conditio humana1, über Glanz und Elend des Menschen zu erfahren. Sie braucht die Kunst, um besser zu wissen, was im Menschen ist: in jenem Menschen, dem sie das Evangelium verkünden soll.“

Das Gebäude des Stiftes und die Bilder sind eine harmonische Einheit, die ruhige und gesammelte Betrachtung ohne Hektik und

Zeitplan fordern. Fröhlichs Bilder verlangen vom Betrachter Denkarbeit und Besinnung. Primäranliegen des Künstlers ist es, den Sinngehalt innerhalb der angedeuteten Bereiche aufzufinden, während die sensorische Tätigkeit des „Malens“ als Sekundär empfunden wird: Das Mittel steht im Dienste des Gehalts.

Fröhlich will keine schnellen Effekte erzielen, wählt durchwegs kleine Formate, seine Bilder wirken ausschnitthaft und sind doch auf das Wesentliche konzentriert. Er will den Dingen ihr Geheimnis lassen, nicht Absurdität erzielen, sondern Geheimnischarakter freilegen.

Wieland Schmied, der Fröhlichs Bilderwelt „ein kleines Welttheater“ nennt, meint über den Künstler, der, 73jährig, bescheiden und zurückgezogen in Linz lebt: „Gebt ihm den geringsten Raum in einer Werkstatt, einen Schimmer Licht — und er wird eine Welt hervorzaubern, seine innere Welt, sich selbst, um seine Freunde, uns alle zu beglücken.“

Das Stift Wilhering, das durch die Innenrestaurierung der Kirche (1974-1977) mit dem Künstler in Kontakt kam — Professor Fröhlich hatte die künstlerische Leitung inne —, hat für Fröhlichs Bilder ein Gebäude ohne Subventionen instand gesetzt. Ein Verein „Fritz-Fröhlich-Sammlung im Stift Wilhering“ wurde gegründet, dessen Mitglied das Stift ist. Der Künstler stellte 320 Bilder zur Verfügung, die nun der Öffentlichkeit zugänglich sind.

Somit ist in Wilhering auch der Stiftstrakt jenseits der Straße be- suchenswert geworden. Fröhlichs Bilderwelt ist ein großartiges Erlebnis.

Die Autorin ist Theaterwissenschaftlerin und Kunstgeschichtlerin und als freie Mitarbeiterin des ORF-Landęsstudios Oberöster-

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