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Große Filmkunst von gestern

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Es kristallisiert sich immer deutlicher heraus: der Film der Gegenwart verliert immer mehr an Bedeutung und an künstlerischer Substanz, den wirklich großen Film, das Meisterwerk in der so kurzen Geschichte der Kinematographie, sucht man in den siebziger Jahren vergebens. Wer wirklich erkennen will, was Film zu leisten imstande ist, muß sich an den Werken von gestern und vorgestern orientieren.

Wer Kunst sehen will, muß nach gestern zurückschauen: Laurence Oliviers perfekte und großartige Shakespeare-Verfilmung „Henry V.“ ist wieder bei uns zu sehen und noch immer ein vollkommener Genuß, ein Vergnügen (ebenso für den Theaterkenner wie den Cineasten); heute sieht man lächelnd über die beabsichtigte politische Tendenz (die 1944 manch freie Umarbeitung des Originaltextes erforderte) hinweg und erkennt nur mehr die Größe der Idee, im Original-Globe-

Theatre mit einer Aufführung im Jahr 1600 zu beginnen, die Phantasie schweifen zu lassen und sich alsbald von der Bühne ins Freie zu denken, gestelltes Spiel als Wirklichkeit zu sehen. Und wie herrlich die Shakespearsche Sprache im Original zu hören, wie mitreißend, die klassische Darstellerkunst Oliviers zu erleben, und wie wahrhaft herzerfreulich, einen makellosen Film zu sehen, der zeitlose Filmkunst verkörpert ... Kann man heute noch so einen Film machen? Wir fürchten: leider nein — man kann es nicht mehr...

Da gibt es zwar die gut gespielte und zeitkritisch sicher zutreffende Satire „Das Nervenbündel“ mit Jack Lemmon, eine thematisch wenig erfreuliche Theaterstück-Verfilmung ohne filmische Auflösung über das Problem der drohenden Arbeitslosigkeit, Umweltverschmutzung, Kontaktarmut und Existenzangst (von dem nur geistig Blinde oder

Blöde behaupten können, bei uns gäbe es das nicht!), dann gibt es einen ebenso tendenziös-abscheulichen wie in den Regeln unverständlichen Football-Reißer „Die Kampfmaschine“, in dem eine Bande mehrfacher Mörder, Totschläger und ähnlich Krimineller als positive Helden dargestellt werden und man über die Besiegung der (zugegeben, als brutal und sadistisch gezeigten) Wärter vergnügt johlen kann — was von der österreichischen Filmprädi-katisierungskommission wieder einmal mit einem Prädikat belohnt wurde. Es wird endlich Zeit, daß Öffentlichkeit und Presse sich einmal näher mit den sonderbaren Praktiken dieser sichtlich nach merkwürdigen Richtlinien werkenden, anonym bleibenden Vereinigung von Sachunverständigen und Unfach-leuten beschäftigen, bevor der Skandal fast ständig falscher Bewertungen Österreichs Ruf als „Kulturnation“ im Ausland schädigt...

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