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Mann des Monats: ein Pferd

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Die Sensation war perfekt: ein schwimmendes Pferd im Golf von Akaba, das dem Strand von Eilat immer näher kam! Beobachter behaupteten sogar, das rätselhafte Tier komme geradewegs aus der Villa König Husseins, die vom Strand Ei-lats leicht erkennbar ist, einherge-schwommen. Das Pferd kämpfte sich tapfer den zwei Kilometer langen Wasserweg entlang und landete glück-lich am israelischen Strand, wo seiner bereits ein Empfangskomitee von einigen tausend neugierigen Urlaubern und Einwohnern harrte. Aber so ganz ohne Formalitäten kann man im Nahen Osten nicht von einem Land in das andere reisen, selbst wenn man ein Pferd, wenn auch ein gescheites, ist. Die Polizei war schon da und verpaßte ihm zunächst eine hochnotpeinliche Untersuchung, ob vielleicht eine Verminung vorliegt, sozusagen eine Art trojanisches Pferd, eine Geheimwaffe der Terroristen. Das Ergebnis beruhigte sichtlich die Polizei. Lediglich die allgegenwärtige Zoll-Kontrolle blieb diesmal der Zeremonie fem, nachdem sie erfuhr, daß das Pferd splitternackt gekommen war. Was tun, war nun die bange Frage der teilnehmenden Organe und Bevölkerung.

Daß das arme Pferd nach seinem einsamen Schwimmrekord etwas essen muß, lag ohnehin auf der Hand.' Man brachte es also, wie jeden illegalen Grenzübertreter auch, in die Polizeistation, wo es zunächst unter der Rubrik: „Besondere Vorkommnisse" registriert wurde, bevor es an den Futtertrog durfte. Die Polizei stellte auch scharfsinnig fest, daß der Gaul ein „Araber" sei, verzichtete dennoch auf Befragung, ebenso wie auf Finger- beziehungsweise Pferdefußabdrucke. Ausnahmsweise wurde diesmal darauf verzichtet, offenbar wegen technischer Schwierigkeiten. Da erschien ein Mitglied des nahen Kib-buzes Eilot, in dem auch einige Pferde gezüchtet werden und bot dem Pferd, beziehungsweise der Polizei, eine Einladung in den Kibbuz-Stall an.

Am nächsten Tag fehlte sein Bild in keiner Zeitung, und die diversen Pferde-, beziehungsweise Eilat-Korre-spondenten konnten bereits dem atemberaubtem Publikum mit sensationellen und farbigen Enthüllungen aufwarten: so wußte man bereits den

Namen, und zwar „Omar", man wußte, daß es das Lieblingspferd des jordanischen Thronfolgers Hassan sei, und daß es nach einer Version seinen Trainer abgeworfen hätte und .nach einer anderen, ihm einfach entlaufen sei. Jedenfalls sei die Intelligenz des Gastes nicht zu unterschätzen, wußte dieser offenbar genau, daß sein Trainer ihm seine Trumpfkarte nicht aus der Hand nehmen könne, das heißt, er würde ihm nicht nachkommen können! Und da auf dem kurzen Landweg von knapp einem Kilometer zwischen der Hussein-Villa und der israelischen Grenze Stacheldraht-Hindernisse aufgestellt sind, blieb Omar nur der Wasserweg übrig.

Inzwischen lief eine fieberhafte diplomatische Tätigkeit an. Sofort wurden die UNO-Beobachter eingeschaltet, die froh waren, aus ihrer Langeweile geweckt zu werden und noch dazu mit einer leicht komisch wirkenden Angelegenheit, die nicht einmal unangenehm war. Die Drähte liefen heiß zwischen Eilat, Jerusalem, Amman und Akaba und dem Kibbuz Eilot. Denn es handelte sich ja nicht um irgendein hin- und hergelaufenes Pferd, sondern um das Lieblingspferd des Thronfolgers! Da wird eben eine Haupt- und Staatsaktion daraus!

48 Stunden lang wurde Omar gepflegt, genährt mit dem erlesensten Grünfutter, geschniegelt und gebügelt, verwöhnt und vor allem von hinten und von vom fotografiert. Bei seiner Rückgabe an Jordanien, bei dem 70 Kilometer nördlich von Eilat liegenden Kibbuz Jotveta, erwartete ihn bereits ein Heer von Fotografen und Auslandskorrespondenten.

Es ist verständlich, daß Omar von seiner Rückkehr durchaus nicht allzu begeistert war. Mit sichtlichem Widerwillen Omars, führte ihn ein Major - jawohl, ein amerikanischer UNO-Major - die paar hundert Meter über die jordanische Grenze. Die Jordanier dankten den Israelis in bewegten Worten für die Gastfreundschaft und boten dem Kibbuz eine pekuniäre Rückvergütung an, auf die der Kibbuz noblerweise verzichtete. Allerdings hatten die Kibbuz-Kinder einen kleinen Brief an König Hussein mitgegeben, in dem sie ihn baten, doch wenigstens den Stacheldraht an der Grenze zu entfernen und Frieden zu schließen.

Und nun darf gefragt werden: Wer sagt, daß Pferde dümmer seien als Menschen? Einige Einwohner Eilats behaupten, eher das Gegenteil sei der Fall. Besonders Eifrige möchtenOmar zum „Mann", pardon, zum „Pferd des Monats" nominieren.

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