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Schatz der Balten

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Zum Gedenken der Unterwerfung der Westbalten durch den deutschen Ritterorden vor siebenhundert Jahren, wurde diese mehr als tausend Objekte umfassende Schau zusammengestellt: “Die Balten, die nördlichen Nachbarn der Slawen“ ist auf der Schallaburg zu sehen.

Die Exponate stammen von Grabungen der letzten hundert Jahre, wobei allerdings ein großer Prozentsatz erst in jüngster Zeit geborgen werden konnte - steht doch die Erforschung der alten baltischen Kulturen als Schwerpunkt auf dem Programm der polnischen Archäologie. Geschaffen wurden die Objekte von einer an der östlichen Ostsee siedelnden indogermanischen Völkergruppe in einer Spanne von rund tausend Jahren.

Der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wirkende deutsche Sprachwissenschaftler Georg Friedrich Nesselmann galo ihr in Ableitung vom lateinischen Namen Mare Balticumf ür die Ostsee die Bezeichnung Balten. Zu den Balten zählt man die alten Preußen (auch Prußen oder Pruzzen geschrieben), die Samländer, Sudauer, Galinder, Litauer und Letten, nicht aber die der finnisch-ugrischen Sprachfamilie angehörenden Esten.

Die mit Karten, Plänen, Fotos, Großdiapositiven, Rekonstruktionen und erklärenden Texten didaktisch gut aufbereitete Ausstellung stellt nicht nur ein nahezu unbekanntes Volk vor, sondern auch eine uns fremde, als barbarisch empfundene Kultur.

Die ältesten Fundgegenstände gehören der Eisenzeit an, die bei den zwischen unterer Weichsel, dem Stromgebiet des oberen Dnjepr und der oberen Oka sowie der Memel beheimateten Völkern später - nämlich erst im 5. Jahrhundert v. Chr - einsetzte als im übrigen Europa.

Gedient hat den Balten dieses Metall zur Herstellung von Werk-

zeugen, Waffen und Schmuck. Freigelegt haben die Spatenforscher sowohl Bronze- als auch Eisenerzeugnisse zumal in westbaltischen Hügelgräbern. Wie diese Hügelgräber ausgesehen haben, veranschaulicht ein Modell. Die Grabumen und rundbodigen Schüsseln und Kannen mit mehreren Henkeln sind Originalstücke.

Wehrsiedlungen erbauten die Balten entweder auf Anhöhen, steilen Moränenhügeln, auf Halbinseln und Inseln, oder in flachen Seebuchten und in sumpfigen Flußniederungen. Die Rekonstruktion eines Pfahlbaues aus dem dritten Jahrhundert v. Chr stellt fünf Hütten dar, die auf einer aus Baumstämmen errichteten, mit Pfählen in den Seeboden verankerten Plattform etwa sechzig Meter vom Ufer entfernt errichtet waren.

Als erste von allen altbaltischen Völkern wurden die im heutigen Süd- und Mittelpolen siedelnden

Stämme von den Kelten beeinflußt, da die Balten den Kelten schon im ersten Jahrhundert v. Chr. im Tauschweg Bernstein überließen. Im ersten und zweiten Jahrhundert n. Chr rüsteten dann die Römer ganze Expeditionen an die Ostsee aus und gaben den Balten für den unbearbeiteten Bernstein, aber auch für Häute, Pelze, Honig, Wachs und Sklaven Bronze- und Silbergegenstände.

In der Ausstellung werden in den Masuren, dem Raum um Suwafid und in Litauen gefundene Importe gezeigt. Außer den mit Email eingelegten Silber- und Bronzefibeln sei ein bronzener Gürtelknopf mit prächtig emailierter Scheibe typisch rheinländischer, gallisch-römischer Provenienz hervorgehoben.

Derartige Emailarbeiten fanden bei den Westbalten großen Anklang, sodaß sie bald versuchten, diese nachzumachen. Hufeisenfibeln mit kreisförmigen, rechteckigen oder dreieckigen Vertiefungen aus rotem Email, in den Masuren, in Ostlitauen und im Dnjepr-Gebiet im 4. und 5. Jahrhundert produziert, beweisen das deutlich.

In Ostlitauen, Lettland und Weißrußland entstand dagegen eine lokale, hochentwickelte Strichkera- mikkultur. Die in Hügelgräbern mit Körperbestattung aufgedeckten Beigaben dokumentieren, daß die Stämme dieses Siedlungsraumes von europäischen Stileinflüssen nicht inspiriert worden sind.

Im frühen Mittelalter wurden die Balten außer im Norden und Süden aus ihren angestammten Gebieten primär durch nachstoßende Slawen verdrängt. Im 9. und 10. Jahrhundert errichteten die am meisten fortgeschrittenen preußischen Stämme im Westen ein eigenes Staatswesen. Schriftliche Quellen belegen ihre Ablehnung der Missionierung durch Bischof Adalbert. Sein Märtyrertod durch Prußenhand im Jahre 997 bildete noch in der Mitte des 12. Jahrhunderts die Anregung zum Guß der Gnesener Domtüren. Eine Vergrößerung der zehnten Szene dieses romanischen Kunstwerkes mit der Darstellung prußischer Krieger bildet den Auftakt zur Ausstellung. Ein Farbfoto des Reliefs schmückt auch den Katalog der Ausstellung.

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