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Verfassung aus der kneipe

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„We, the People”, beginnt die Verfassung der Vereinigten Staaten, die in diesen Monaten — genau zwischen 25. Mai und 17. September -200 Jahre alt wird. Im Mai 1787 war die konstituierende Versammlung der 55 Delegierten von 13 amerikanischen Staaten in Philadelphia zusammengetreten, und rund vier Monate später wurde das in striktester Geheimhaltung ausgearbeitete Dokument veröffentlicht.

Was damals geleistet wurde, verdient noch heute Anerkennung; hat, vor allem verfassungsrechtlich gesehen, noch heute Gültigkeit.

Aber Philadelphia war damals nicht gerade ein einladender Platz. Und das Leben dieser Menschen, die sich mit Inkrafttreten der Verfassung erstmals zu Recht „Amerikaner” nennen durften, war nicht einfach. Philadelphia erlebte im Juni und Juli 1787 den heißesten Sommer seit 40 Jahren. Die Temperaturen lagen wochenlang bei 28 bis 36 Grad Celsius. Fliegen und Moskitos waren eine gefähr-liche^zum Teil tödliche Plage.

Die Delegierten tagten hinter geschlossenen Türen und Fenstern in der heutigen In-dependence Hall, damals noch Pennsylvania State House genannt. Und der Geheimhaltung wegen waren die Fenster auch noch mit Stoff verhangen.

Phüadelphia galt zwar als die modernste, kulturell bedeutendste Stadt Amerikas, Aber: mehr als die Hälfte der Bevölkerung war bitterarm, jeder zweite Säugling starb vor Erreichen des Lebensalters von sechs Monaten. Die meisten Straßen hatten an den Rändern offen dahin fließende Abwässer, waren Kloaken gleich.

Die Delegierten der Verfassungskonferenz wohnten privat, aber sie besuchten die Kneipen der Stadt regelmäßig, haben Ortschronisten festgehalten. Und es wurde mächtig getrunken. Zwölf Personen, die in einer Taverne zu Abend aßen, tranken — so eine erhalten gebliebene Detail-Rechnung - 60 Flaschen Wein.

Die meisten Menschen von damals waren klein und übermäßig dick. Die Delegierten waren kaum größer als 165 Zentimeter, wogen aber in der Regel um die zwei Zentner. Nur George Washington hob sich ab: Der General maß mehr als 1,80 Meter. Er, der schließlich erster Präsident werden sollte, war auch eine Art geistiger Motor für die übrigen Verfassungsväter.

Ein anderer Delegierter, später des neuen Amerika erster Diplomat in Frankreich war Benjamin Franklin. Er war als Schwätzer bekannt. Und da man bei ihm nicht sicher sein konnte, daß er abends bei Wein und Whisky nicht über die Geheimberatungen berichten würde, gab man ihm stets einen Aufpasser zur Seite.

Das alles liegt 200 Jahre zurück. Und nicht ohne Stolz erinnern sich die Amerikaner in diesem Sommer daran. 200 Jahre stabilster Demokratie und unveränderter Regierungsform schließlich sind nicht allgemein auf dieser Erde.

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