Nahost-Frieden, der schmerzt

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Am 4. November, dem achten Jahrestag der Ermordung von Yitzhak Rabin, wird das "Genfer Abkommen" präsentiert: neue Hoffnung im israelisch-palästinensischen Konflikt.

Was unterscheidet diese israelisch-palästinensische Friedensinitiative von den unzähligen Vorgängern, die allesamt gescheitert sind? Die Skepsis vor einem (dem wievielten?) neuen Friedensplan für den Nahen Osten überwiegt bei der Präsentation des "Genfer Abkommens" im Europäischen Parlament in Straßburg. Doch mit Zweifel können Jamal Zaqout und Naomi Chazan umgehen: Sie haben ihre eigenen Bedenken gegen einen neuen Anlauf für Frieden in Palästina überwunden; sie haben in Knochenarbeit jedes Detail des palästinensisch-israelischen Konflikts ausgeleuchtet, durchdiskutiert und nach friedlichen Lösungen dafür gesucht; und sie werden von ihren Landsleuten für diese Versöhnungsarbeit als Hochverräter beschimpft - da wird die Überzeugungsarbeit im Europäischen Parlament zum Kinderspiel.

Ein Musterfriedensplan

"Weil es das erste vollständige Abkommen zwischen Israelis und Palästinensern sein könnte", antwortet die ehemalige Vize-Präsidentin der israelischen Knesset, Naomi Chazan, auf die Eingangsfrage nach dem Mehrwert des Genfer Abkommens. "In diesem Dokument wird zum ersten Mal schwarz auf weiß das Recht des jüdischen Volkes auf einen Staat anerkannt", fügt Chazan hinzu. Genauso wie der Vertrag den Palästinenser "ihr Heimatrecht in Palästina zubilligt". Das Genfer Abkommen schmerzt beide Seiten, sagt Chazan, weil es Kompromisse fordert. Aber sollte es jemals zu einem dauerhaften Frieden zwischen Israelis und Palästinensern kommen, ist sie überzeugt, "dann nur auf der Grundlage eines Vertrages, der so detailliert und konkret ausgearbeitet ist wie das Genfer Abkommen".

Am 4. November, dem achten Jahrestag der Ermordung von Premier Yitzhak Rabin, soll der "Musterfriedensplan" in Genf präsentiert werden - wegen der finanziellen und ideellen Unterstützung der Initiative durch die Schweiz wurde dieser Ort gewählt. Doch schon jetzt gehen die Wogen über den Friedensplan hoch. Israels Premier Ariel Sharon schäumt, dass "Privatpersonen" das Heft der Friedenspolitik in die Hand nehmen: "Dieses Papier weckt nur falsche Hoffnungen. Mit welchem Recht machen diese Linken Versprechungen, die Israel niemals erfüllen kann, noch erfüllen wird."

Gefährdete Balance

Jamal Zaqout und Naomi Chazan wissen das Recht jedes Bürgers auf ihrer Seite, sich dann zu engagieren, wenn die Politik versagt. Beide schlossen sich einer Gruppe israelischer und palästinensischer Politiker und Intellektueller an, die das erfolgslose Ende der Friedensverhandlungen in Taba im Winter 2001 nicht akzeptieren wollten. Gemeinsam mit den Initiatoren - dem israelischen ExJustizminister Yossi Beilin und dem palästinensischen Minister Yasser Abed Rabbo - arbeiteten sie knapp drei Jahre lang an dem "ausbalancierten Vertrag" und warnen davor: "Jeder Versuch, diese Balance auch nur in einem Punkt zu verändern, würde das mühsam aufgebaute Friedensgerüst wieder zum Einsturz bringen." Und dann haben erneut die Extremisten, Rassisten und Antisemiten das Wort, befürchten die Israelin und der Palästinenser. Jamal Zaqout weiß, wovon er spricht: Sein Bruder wurde von israelischen Soldaten getötet, seine Frau und er waren beide mehrmals in israelischen Gefängnissen eingesperrt, sein Haus wurde zerstört und jeden Tag lebt er in Angst, wenn er das Motorengeräusch der israelischen Apache-Hubschrauber näher kommen hört - "trotzdem oder gerade deswegen akzeptiere ich dieses Abkommen", sagt Zaqout und bittet um Unterstützung für den Plan. So wie die Initiatoren Beilin und Rabbo sind auch Zaqout und Chazan derzeit auf Werbetour für das Genfer Abkommen durch Europa. Denn Chazan weiß: "So schwierig die Erstellung des Friedensplans auch war - die Durchsetzung des Abkommens wird noch mehr Überzeugungskraft kosten." Begeistert zeigt sie sich, dass vier Tage nach Veröffentlichung des Plans 35 Prozent der Israelis das Abkommen unterstützen. Gedacht ist die neue Initiative nicht als Konkurrenz, sondern als notwendige Erweiterung der von den USA unterstützten Friedens-Roadmap.

Die Räumung der jüdischen Siedlungen in den Palästinensergebieten, die Einigung auf die Grenzen von vor dem Sechstagekrieg 1967 und die Teilung Jerusalems, sind für Naomi Chazan die bedeutendsten Zugeständnisse, die Israel den Palästinensern machen muss: "Aber je schneller wir diese Schritte setzen, desto weniger tut es weh", ist die gebürtige Jerusalemerin überzeugt.

Die Palästinenser müssen im Gegenzug einer Demilitarisierung ihres unabhängigen Staates zustimmen und auf das Rückkehrrecht ihrer Flüchtlinge - mit wenigen Ausnahmen - verzichten. "Sharons so genannter Friedensplan will uns in ein Ghetto sperren", zeigt Jamal Zaqout die Alternativen auf, "das Genfer Abkommen will unsere Freiheit". Und Naomi Chazan schränkt ein: "Wir haben nicht mehr viel Zeit."

Hinweis:

Das Genfer-Abkommen im Internet: http://www.shalomctr.org

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