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Concorde: ja oder nein?

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Um Finanzierungsmittel für Wohlfahrtsziele frei zu bekommen, kündigte der Premierminister eine Uberprüfung des geplanten Über-schalldüsenverkehrsflugzeuges Concorde an. Einige Wochen später hieß es, die Concorde werde nicht gebaut; jüngst mußte die Regierung ihre frühere falsche Einschätzung der Lage eingestehen und gab bekannt, die Concorde werde doch gebaut. Eine ähnliche Unentschiedenheit zeigte die Regierung in Verteidigungsfragen. Auf diesem Gebiet ist sie allerdings durch Rücksichtnahme auf innerparteiliche Meinungsverschiedenheiten behindert. Premierminister Wilson muß stets damit rechnen, daß der linke Flügel wegen der atomaren Bewaffnung Englands rebelliert und das Kabinett im Parlament zu Fall bringt. Mit dieser Tatsache erklären die führenden Publizisten die eher zögernde Haltung Wilsons und seinen Versuch, ohne Schwächung der Verteidigungsposition Großbritanniens die Atomwaffen loszuwerden, indem er sie einer Atlantic Nuclear Force irgendwelcher Gestalt überstellen möchte. Gleichzeitig muß er die nationalen Kräfte (und die Interessengruppen der Rüstungsindustrie) beruhigen und ihnen versichern, daß dies keinen Souveränitätsverlust zur Folge hätte, weil der Einsatz dieser atlantischen Atomwaffen auch einem britischen Veto unterstünde.

Zu diesen meist innenpolitischen Problemen trat in letzter Zeit noch das malaysische hinzu. Das Engagement in Südostasien, das die Regierung wegen ihrer Betonung der Commonwealth-Bindungen keinesfalls vermindern darf und will, erschwert eine Neuorientierung.

Die hundert Tage des Kabinetts Wilson brachten eine beachtliche Währungskrise, einige begrüßenswerte Änderungen und eine Reihe von Ansatzpunkten zu sehr umstrittenen Losungen von bestehenden Problemen. Der Publizist R. West fragte den Premierminister, was er sich dachte, als er die Phrase von den hundert Tagen gebrauchte und ob er sie wiederholen würde. „Nein“; grinste Wilson, „ich dachte an Kennedy, die Leute jedoch an Napoleon.“ Die hundert Tage Wilsons gleichen weder genau Napoleons noch Kennedys. Die Hoffnungen der City auf ein rasches Ende des Kabinetts Wilson haben sich nicht erfüllt; zum Kennedy-Typ fehlt Entscheidendes. Während Wilson nie Mangel an Dynamik und Ideen zeigte, blieb die Labour Party die alte, ideologisch nach einem Weltbild von gestern ausgerichtete Partei. Und das könnte ihr schon bald schaden, da auch in England nur das Zentrum eine politische Zukunft hat.

Nur dann, wenn die Labour Party eine echte Partei der Mitte wird, könnte aus den ersten 100 Tagen Wilsons ein Ära Wilson werden.

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