Dialog statt politischer Provinzposse

19451960198020002020

In der auseinandersetzung ums König-Abdullah-Zentrum in Wien geht es vor allem um politisches Kleingeld. Österreich setzt dabei seinen Ruf als Brückenbauer aufs spiel.

19451960198020002020

In der auseinandersetzung ums König-Abdullah-Zentrum in Wien geht es vor allem um politisches Kleingeld. Österreich setzt dabei seinen Ruf als Brückenbauer aufs spiel.

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn sich als Experten gerierende heimische Politiker im Verein mit sich als Experten gerierenden Medienleuten einer weltpolitisch heiklen Sachfrage annehmen, dann ist eine provinzielle Posse vorprogrammiert, die dazu führen kann, dass Österreich nicht mehr als guter Boden fürs Brückenbauen taugt. Die derzeitigen Diskussionen ums Wiener König-Abdullah-Zentrum für interkulturellen und interreligiösen Dialog (KAICIID), dem vom Kanzler abwärts Ultimaten gestellt werden, weisen in eine derartige Richtung. Wer wagt es nach den überhitzten Wortmeldungen der letzten Tage, in denen überdies die Existenzberechtigung des Zentrums mit dem Fall des zu einer unmenschlichen Strafe verurteilten Bloggers in Saudi-Arabien junktimiert wird, noch ein gutes Wort fürs KAICIID einzulegen? Zeitgenossen mit Augenmaß sollten aber einen nüchternen Blick versuchen und das politische wie mediale Gegacker von den zu stellenden Fragen trennen.

Religiöse Führer zusammenholen

Der Gedanke, die religiösen Führer der Welt in Dialog zu bringen, hat eine beklemmend aktuelle Berechtigung. Unabhängig von der jeweiligen religiösen und auch areligiösen bzw. antireligiösen Position sollte man versuchen, die spirituellen Führer und religiösen Multiplikatoren der Welt zusammenzuholen und für einen globalen Friedensweg zu gewinnen. Gerade in den auch religiösen Verwerfungen der letzten Jahre scheint eine diesbezügliche Initiative, die insbesondere religiöse Führer aus der muslimischen Welt mit jenen anderer Religionen an einen Tisch bringt, verdienstvoll. Aus diesem Blickwinkel ist ein Dialogprojekt wie das KAICIID sinnvoll, und die prominente Beteiligung Saudi-Arabiens daran könnte Türen gerade in die islamische Welt öffnen.

Zuletzt gelang es dem Zentrum im November, eine bislang einzigartige Versammlung von muslimischen, kurdischen, christlichen und jesidischen Führern aus dem Nahen Osten in Wien zu versammeln und auf ein Bekenntnis gegen religiöse Gewalt einzuschwören. Dass dort jesidische Vertreter vor islamischen Autoritäten zu Wort kamen oder der chaldäisch-katholische Patriarch von Bagdad, Louis Sako, einen eindrücklichen Hilfeschrei der Christen jener Region formulieren konnte, beeindruckte gerade die muslimischen Teilnehmer. Man sollte dieses Forum nicht unterschätzen. Und schon gar nicht mutwillig zerstören.

Es gibt berechtigte Einwände gegen Arbeit und Konstruktion des KAICIID. Auch dass mit Saudi-Arabien ein Land, das mit Menschenrechten wie Religionsfreiheit kaum etwas am Hut hat, prominent involviert ist, bleibt problematisch. Umgekehrt kann der Einsatz fürs Zentrum sehr wohl auch als Zeichen jenes Teils der saudischen Nomenklatura gelten, der weiß, dass eine Öffnung des Landes unumgänglich ist. Der Fall des vom saudischen Staat terrorisierten Bloggers Raif Badawi zeigt, wie unerbittlich die Reaktion dort aber zurückschlägt.

Wichtig ist, dass das KAICIID strukturell vor dem operativen Einfluss der saudischen Politik geschützt ist, dessen Gründungsvertrag mit Österreich und Spanien als Partner und dem Vatikan als Beobachter scheint das zu gewährleisten. Auch jüngste Aussagen des prominenten Rabbiners David Rosen oder des griechisch-orthodoxen Metropoliten Emmanuel, die beide dem Direktorium des KAICIID angehören, sollten gehört werden. Rabbi Rosen schrieb etwa im Standard: "Die Wahl, so beschreibt es ein Sprichwort, besteht darin, entweder die Düsternis zu verfluchen oder eine Kerze anzuzünden. Werden tatsächlich Kerzen angezündet, dann ist nicht sofort alles überall in Licht getaucht. Diejenigen allerdings, die es im Namen der ideologischen Reinheit vorziehen, die Finsternis zu verfluchen, die schreiben diese bis in alle Ewigkeit nur fort." Wer bedenkt aber solche Argumente?

Ein erbärmlicher Diskurs

Der Diskurs hierzulande ist zwischen politischem Kleingeld und den Ausfällen jener gefangen, welche die Religion an sich fürs Grundübel des Weltunfriedens halten. Einmal mehr kann man das bei Christian Rainer im Profil nachlesen, der sich nicht entblödet, auch dem Papst vorzuwerfen, er leiste dem Terror Vorschub.

Man sollte das KAICIID daran messen, ob es dem Anspruch eines internationalen Brückenbauers für religiöse Führer gerecht wird. Österreich könnte sich gehörig einbringen - indem man etwa nach dem Rücktritt der Vizegeneralsekretärin Claudia Bandion-Ortner, eine Persönlichkeit sucht, die kein unbedarfter Grüßaugust ist, sondern fachliches wie (welt)politisches Know-how mitbringt.

Der heimischen Politik wie der Zivilgesellschaft bleibt aufgetragen, sich für konkrete Fälle wie jenen von Raif Badawi einzusetzen. Für ihn hat sich auch die Islamische Glaubensgemeinschaft mit Worten eingesetzt, die an Klarheit nichts zu wünschen übrig ließen: "Anstatt dass Saudi-Arabien Hochglanzbroschüren über die Schönheit des Islams in die ganze Welt sendet, hilft uns Muslimen in Europa viel mehr die Einhaltung der Menschenrechte in Saudi-Arabien." Solch muslimische Kritik ist ein wichtiger Schritt. Gleichzeitig ist weiter an Brücken zu bauen. Österreich wäre äußerst schlecht beraten, wenn es bestehende sprengt.

Eine Analyse von Otto Friedrich

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung