7082193-1994_03_11.jpg
Digital In Arbeit

Die Gen- Technik als Chance

19451960198020002020

Die Diskussionen um die Möglichkeiten und Grenzen der medizinischen Forschung haben erst begonnen und werden sicher noch heftiger.

19451960198020002020

Die Diskussionen um die Möglichkeiten und Grenzen der medizinischen Forschung haben erst begonnen und werden sicher noch heftiger.

Werbung
Werbung
Werbung

DIEFURCHE: Ein Problem, das im Zuge der Blut-Affäre um die deutsche Firma ÜB Plasma einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde, betrifft die Virus-Sicherheit von Blut Gibt es hier Verbesserungen?

KLAUS ANDERLE: Ich glaube, daß sich hier nichts verändert hat. Es gibt gute Herstellungsrichtlinien, die bestimmte Testungen des Ausgangs-

Elasmas fordern. Diese Maßnahmen önnen für sich das Risiko einer Übertragung auch nur vermindern. Die Häufigkeit von Antikörperträgern liegt in Europa bei eins zu 30- 50.000, die Häufigkeit von Fensterspendern wird von eins zu 1.000.000 angegeben. In Österreich werden etwa 550.000 Blutspenden pro Jahr gesammelt, das heißt in jenem Bereich, wo ich nicht virusinaktivieren kann, besteht die Gefahr, alle zwei Jahre einen Spender zu finden, der positiv ist. Das Risiko ist bei Blut unvermeidbar, aber eigentlich nicht tolerierbar. Zweitens hat ein Test eine gewisse Empfindlichkeit und da kann es passieren, daß der Antikörper-Test unterhalb der Empfindlich- keitsgrenze liegt und daher negativ ausfällt. Etwas anderes ist es, wenn

ich Plasma verwende, das nicht virusinaktivert werden kann.

DIEFURCHE: Hätte der geplante und jetzt verschobene Neoptarin-Test mehr Sicherheit gebracht*

ANDERLE: Bei der Vollblutspende ist man eingeschränkt. Man versucht deshalb zusätzliche Tests zu entwickeln, wie zum Beispiel den Neoptarin-Test, der ein sehr unspezifischer Test ist, der bei jeder Virusinfektion, aber auch anderen Gründen positiv werden kann. Es hängt auch davon ab, wie empfindlich der Test anlegt wird. Wenn Sie ihn weniger empfindlich anlegen, rutschen möglicherweise ein paar Infizierte durch, wenn Sie ihn empfindlicher machen und alle Virusinfektionen erfassen, fallen etwa bei einer Grippeepidemie elf Prozent und mehr der Spender aus. Die Problematik wird sein, einen gangbaren Mittelweg zu finden, und das wird noch dauern.

DIEFURCHE; Ein Problem, das die Ethik in der Medizin betrifft, ist jenes der Tierversuche. Was muß hier für die Forschung erlaubt sein und wo müssen Grenzen gesetzt werden?

ANDERLE: Ich glaube, daß es eine gesamtgesellschaftliche Ethik gibt, zu der gehört, daß man seine Mitmenschen nicht schädigt, daß man niemanden umbringt, daß man niemandem Leid zufügt und auch, daß man das Leben der Tiere achtet. Es ist nur die Frage, was in einer bestimmten Situation höher zu werten ist. Und hier geht für mich der Schutz des Menschen, der mit unseren Produkten behandelt wird, vor. Und in bestimmten Bereichen kann ich die Sicherheit der Produkte nur garantieren, wenn ich Tests an Tieren durchführe.

DIEFURCHE: Lcßt man aber nicht viele Tiere auch durch die Art der Haltung unnötig leidere*

ANDERLE: Das Ziel muß sein, daß ich keine Verletzungen setze, die nicht notwenig sind. Dabei sind gewisse Meriten der Tierschützer nicht zu leugnen, weil hier sicher ein höheres Bewußtsein eingetreten ist, auch bei jenen, die nicht umhin können, Tierexperimente zu machen. Es ist zu einem Nachdenken gekommen, was ich machen kann, daß Tiere besser gehalten werden.

DIEFURCHE: Verzichten wird man darauf nicht können*

ANDERLE: Der Gebrauch an Versuchstieren hat sich in den letzten Jahren auf ein Drittel reduziert.

DIF.FURCHE: Alle halben Jahre liest man, daß es bald einen Aids-Impfstoff geben wird

ANDERER: Wir sind im Stadium der klinischen Studien, die in Phasen ablaufen. In der ersten Phase muß der Impfstoff an HIV-Negativen auf seine Unschädlichkeit hin überprüft werden. Das ist passiert. Phase zwei ist: Sie testen den Impfstoff an Infizierten auf Unschädlichkeit. Dann müssen Sie eine Dosisfindung machen. Das ist im laufen. Der Ausgang steht in den Sternen. Es ist nicht zu erwarten, daß man vor drei, vier Jahren weiß, ob der Impfstoff hilft.

DIEFURCHE: Heftig diskutiert ist die Frage der Gen-Technik. Vorige Woche hat das Gen-Technik-Gesetz den Ministerrat passiert Wie sehr sind Sie davon betroffen?

ANDERLE: Nicht zuletzt wurde der Aids-Impfstoff gentechnisch entwickelt. Die Immuno ist also etwa

bei der Produktion von Impfstoffen sehr wohl betroffen. Ein Fehler beim Gen-Technik-Gesetz ist aus unserer Sicht, daß man zuviel hineingenommen hat, etwa den Eingriff in die Keimbahn oder die transgenen Tiere.

DIEFURCHE: Das ist aber das Problem, daß die Forscher sich soviel Freiheit als möglich wünschen, irgendwo aber ethische Grenzen gezogen werden müssen ANDERLE: Ethik ist etwas Sich-Ver- änderndes. Wenn wir das nehmen, was jetzt verboten ist, also den Eingriff in die Keimbahn des Menschen, dann ist das allgemeingültige Ethik. Aber eines muß man auch wissen: Wenn zum Beispiel Bluter Kinder haben wollen, werden sie es gerne sehen, wenn ihre Spermien gentechnisch gesund gemacht werden können. Vielleicht ist das Utopie, aber theoretisch denkbar. Ich glaube, daß hier die Gesellschaft unter Druck gerät.

Dr. Klaus Anderle

ist Humanmediziner und Geschäftsführer des Österreichischen Instituts für Haemoderivate der Firma Immuno. Mit ihm sprach Harald Klauhs

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung