An Seine Exzellenz, den Außenminister des Staates Israel Die Spannung zwischen unseren beiden Ländern veranlaßt mich, Ihnen ein paar Zeilen zukommen zu lassen, und ich erlaube mir noch ein paar aufklärende Worte, Anregungen und Empfehlungen hinzuzufügen. Ich möchte feststellen, daß ich bestürzt wäre, würde Israel seinen Botschafter in Wien abberufen, und fände diese Reaktion auf die Bildung einer neuen österreichischen Regierung kraß überzogen. Die Begründung: Vorsicht, Erinnerung, Vorbeugung, kann ich begreifen, nicht begreife ich, wie Sie als Diplomat Österreich in pauschaliter als Naziland bezeichnen können.
Dagegen erhebe ich Einspruch, denn auch ich und meine Freunde sind ein Teil dieses Landes, für dessen Freiheit wir in der bittersten Zeit unseres Lebens, von den deutschen Machthabern in Lager, Gefängnisse und Strafbataillone gezwängt, gelitten haben. Ich gebe zu, daß Antisemitismus in weiten Kreisen der österreichischen Bevölkerung als Kavaliersdelikt gilt und leider noch immer praktiziert wird. Ich räume auch ein, daß der Ursprung der Haider-Partei und viele ihrer Altanhänger aus dem braunen Schlamm kommen. Aber Nazis? Das bestimmt nicht. Von ein paar Neonazi-Idioten natürlich abgesehen.
Für meinen Teil halte ich Dr. Haider für einen Rechts-Politiker nach franquistischem Muster, mit einer Einstellung, die in Ihrem Land als "Beginismus" bezeichnet wird und ebendort von Herrn Ministerpräsidenten außer Dienst Netanjahu vorgeführt wurde. Intolerant und rechtspopulistisch. Kein Wunder, daß sich zum Beispiel der freiheitliche Abgeordnete zum Europarat Peter Sichrovsky keine Gewissensbisse macht, meint er doch sicherlich, der österreichische Rechtsausleger sei Herrn Netanjahu seelenverwandt. Faschisten gibt es überall, Neonazis leider auch, denn die Mikrobe der Dummheit ist international. Ich möchte Sie informieren, daß mir der Politiker Dr. Haider recht zuwider ist und mich sein Ton, sein ungutes Lachen und seine Sprache vehement abstoßen, aber es wäre undemokratisch, eineinviertel Millionen Wähler, die ihm ihre Stimme gegeben haben, von der politischen Arbeit auszuschließen.
Als Anti-Faschist und überzeugter Großkoalitionär bin ich mir der Gefahren, die auch der Schüssel-ÖVP drohen, bewußt. Sie, Herr Minister, sollten alles dazu tun, mit uns gegen diese Bedrohungen Dämme zu errichten. Fäuste zu ballen ist in manchen Weltgegenden sicher angebracht, in Zonen, wo man noch Rudimente Metternichscher Diplomatie findet, ist das fehl am Platz. Als Patriot fordere ich Sie als Verantwortlichen Ihres Landes, als Sozialdemokrat, als Genosse, als Naziverfolgter als einen an sein Gewissen Gebundenen auf, künftig zu überlegen, was gesagt werden muß, gesagt werden kann und gesagt werden soll. Ich und Millionen Österreicher, an der Spitze unser Bundespräsident, sowie die meisten Künstler meines Landes wollen sich nicht mit ein paar Rechtspopulisten und Phrasendreschern in einen Topf werfen lassen. Das würde unserer Ehre widersprechen.
Als Bürger der Republik Österreich, Europas und der Welt der Zukunft in Frieden bitte ich Sie um Objektivität und fordere Fairneß gegenüber meinem Land und seiner Bevölkerung.
Mit vorzüglicher Hochachtung Fritz Muliar, Österreich
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