Vom "Krisengerede der ÖVP" hat die SPÖ vor der Wahl gesprochen. Jetzt ist eine Krise da. Jetzt wissen es alle. Fast alle.
Viele Staaten der EU haben nach einigen Schrecktagen reagiert. Zwar nicht konzertiert, aber verhältnismäßig koordiniert. Das Vertrauen zwischen den Banken sollte gestärkt, das Vertrauen der Sparer und Anlegen (langsam) zurückgewonnen werden. Zerbrochen ist schnell etwas, Kitten braucht Zeit.
"Good old Europa" hat in diesem Drama, für das es kein Drehbuch gibt, gar keine schlechte Rolle gespielt. Man sollte meinen, dass in diesen Wochen viele Menschen froh sind, dass EU-Europa in den letzten Jahren Fortschritte gemacht hat und dass es in vielen Ländern den Euro gibt. Und manche mögen daran gedacht haben, dass EU-Europa durch einen gültigen Lissabon-Vertrag noch handlungsfähiger gewesen wäre. Viele Länder, Österreich inklusive, haben ihn ja längst unterzeichnet (was von der Kronen Zeitung als Verrat an Österreichs Interessen gewertet wurde).
Dennoch hält sich der "Stolperstein" Europa als Punkt in den Koalitionsverhandlungen. Faymann beharrt offensichtlich auf Volksabstimmungen "bei wesentlichen Änderungen des EU-Vertrags", was immer das meint. Politikwissenschafter warnen und versuchen, ihm Brücken zu bauen: EU-Fragen sollten nur dann einer Volksabstimmung unterzogen werden, wenn die österreichische Bundesverfassung berührt würde (Emmerich Talos). Und der Bundespräsident kritisiert die "Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe".
Naheliegend ist es, darauf zu verweisen, dass europäische Volksabstimmungen gerade durch einen gültigen Lissabon-Vertrag möglich würden. Dann könnte man über Änderungen europaweit diskutieren und abstimmen.
Aber offensichtlich zählt die "verbriefte" Zusage an einen Herausgeber mehr als das Interesse Österreichs an einem handlungsfähigen EU-Europa. Man möge bedenken: Wenn es nach der Krone gegangen wäre, hätten wir wohl auch keinen Euro.
Rudolf Bretschneider, GFK Austria, ist Sozialforscher
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