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Spät, aber doch: In dieser Woche einigen sich SPÖ und ÖVP auf ihre Spitzenkandidaten für die EU-Wahl. Damit die Wahlbeteiligung steigt, ist darüber hinaus eine andere Politik zu leisten. Eine Analyse von Heike Hausensteiner

Nach den besten Köpfen sucht man, wenn man ein erfolgreiches Team zusammenstellen möchte. In der Politik ist das nicht unbedingt der Fall. Auch nicht in der Europapolitik Österreichs. In der SPÖ verzichtet der Bundesobmann a priori darauf, einen Kandidaten als neuen EU-Kommissar zu nominieren, und der Wahlkampf für die Wahl zum Europäischen Parlament am 7. Juni soll kritisch angelegt werden. Dass SPÖ-Obmann, Bundeskanzler Werner Faymann dabei Europa ein ernsthaftes Anliegen ist, nimmt man ihm nicht ab. Das monatelange Tauziehen um den Spitzenkandidaten spricht Bände.

Bleibt eine (selbsternannte) europäische Partei, die ÖVP. Was insgesamt auf eine oberflächliche, polarisierende EU-Wahlwerbephase hindeutet, massives Bashing "die böse EU" inklusive. Denn die speziell europapolitisch völlig unbedarften EU-Kritiker aus der rechtsrechten Ecke werden wieder einmal deftige Sprüche klopfen. Und auch die Grünen möchten, nachdem sie den geläuterten Europäer Johannes Voggenhuber nicht gerade elegant entsorgt haben, wieder EU-kritischer werden.

Schwarzer Gastredner für Grüne

Die deutschen Grünen luden zu ihrem EU-Wahlkampfauftakt übrigens einen schwarzen Europäer als Gastredner ein: Jean-Claude Juncker. Es gibt wohl kaum einen stärker europäisch gesinnten Spitzenpolitiker als den christ- demokratischen Regierungschef Luxemburgs. "Wir müssen uns als Radikaleuropäer bekennen", schmetterte er den deutschen Grünen hin. Und erntete dafür stehende Ovationen. Zweifel sind angebracht, ob die Grünen hierzulande mit einem globalisierungskritischeren Kurs auf das richtige Pferd setzen. Ausgerechnet die EU schütze vor den negativen Auswirkungen der Globalisierung, wiegen sich 45 Prozent der Österreicher laut Eurobarometer-Umfrage von Ende 2008 in Sicherheit.

Österreich bildet mit Großbritannien und Portugal die Speerspitze jener Länder, in denen die Bevölkerung am wenigsten bereit ist, bei der Europawahl ihre Stimme abzugeben. Das ergab ebenfalls der Eurobarometer. In den drei Ländern sagten jeweils 75 Prozent, sie würden wahrscheinlich nicht zur Wahl gehen. Selbst für Belgien, wo Wahlpflicht herrscht, ermittelte die Befragung eine Wahlbereitschaft von nur 61 Prozent. Die EU-Wahlbeteiligung ist in den meisten Mitgliedsländern gesunken. Was umgekehrt proportional ist zu den erworbenen Kompetenzen, seit das Europäische Parlament 1979 erstmals direkt gewählt wurde.

Österreich beteiligte sich zum ersten Mal 1996 an der Europawahl, mit 67,7 Prozent. Dem folgte beim Urnengang drei Jahre später ein dramatischer Rückgang auf 49,4 Prozent. 2004 gingen lediglich 42,4 Prozent der Österreicher zur EU-Wahl. Die in den letzten 30 Jahren stark rückläufige Tendenz der Wahlbeteiligung entspricht dem EU-Trend: Seit 1979 ist sie von 63 Prozent in der damaligen Sechser-Gemeinschaft auf 45,6 Prozent in der EU25 zurückgegangen. Zu den Vielwählern zählen Irland, Belgien, Luxemburg, Italien, Griechenland, Zypern und Malta, wo 2004 immerhin zwischen 60 und 90 Prozent zur EU-Wahl gingen.

Dass das Europäische Parlament eine wichtige Rolle im Leben der EU spiele, gaben beim Eurobarometer Ende des Vorjahres 75 Prozent der Österreicher an. Rund 90 Prozent kannten es vom Hörensagen. 47 Prozent vertrauten dem EU-Parlament, 40 Prozent taten dies eher nicht. Im EU-Durchschnitt liegt das Vertrauen konstant bei 54 Prozent. Im Vergleich dazu: Dem Nationalrat vertrauen rund 50 Prozent der Österreicher. Jedoch ist bei der Nationalratswahl die Wahlbeteiligung traditionell wesentlich höher, im Vorjahr 78,8 Prozent.

Umfragen darf man nicht überbewerten, das ist klar. Aber standardisierte, wiederholte Befragungen wie der Eurobarometer können im Laufe der Jahre Stimmungstendenzen widerspiegeln. Demnach liegt Österreichs EU-Meinungskurve seit 1995 durchschnittlich um etwa 15 Prozentpunkte unter dem EU-Mittelwert. Mit dieser Skepsis gegenüber der EU befindet sich die Alpenrepublik in guter Gesellschaft mit Ungarn oder Großbritannien.

Österreich zuerst in der EU?

Jedes Land hat eine eigene Geschichte. Die Financial Times zitierte einen hochrangigen EU-Beamten aus Österreich: Griechenland passe eigentlich nicht in die Union, weil es seine Militärdiktatur noch nicht überwunden habe, hatte er gemeint. Aber kann man das nicht von anderen EU-Ländern auch sagen? Oder anders: Was heißt richtig verstandener Nationalismus in der EU?

"Österreich zuerst" war vor 16 Jahren der Slogan eines FPÖ-Volksbegehrens. Dabei war es in den 1980er Jahren ausgerechnet Jörg Haider, der als einer der ersten Spitzenpolitiker hierzulande für Österreichs Beitritt zur EU plädierte. In der SPÖ war ein europapolitisches Plädoyer lange undenkbar. Einen entsprechenden Beschluss in der SPÖ schaffte erst in den 1980er Jahren Franz Vranitzky, mit Gegenstimmen der Gewerkschaften. 1989 wurde das großkoalitionäre Ansuchen um Aufnahme in die EU an Brüssel gerichtet. Seit der überragenden Pro-EU-Abstimmung 1995 mit Zwei-Drittel-Mehrheit, deutlich gepusht von der Kronen Zeitung, ist viel von der Euphorie verpufft.

Niemand veranstaltet mehr EU-Bürgerforen, Diskussions- und Informationsveranstaltungen als die europäischen Organisationen selbst. Doch die Meinungsbildung über die EU muss auch und vor allem von den nationalen Institutionen ausgehen. Schließlich sind es die bei nationalen Urnengängen gewählten Vertreter, die in den EU-Gremien Gesetze beschließen: unsere Minister im EU-Rat, der von unserer Regierung nominierte Kommissar in der EU-Kommission, die künftig 17 Abgeordneten zum Europäischen Parlament. Das könnte man der Bevölkerung noch bewusster machen, wenn man will. Viele wollen das nicht. Denn das könnte den innenpolitischen Stockerlplatz untergraben. Hinzu kommt das mediale Mantra: "Only bad news are good news." Wie ein ORF-Journalist es einmal ausdrückte: "Wir erzählen Dramen." Bloß: Dem Drama über "die böse EU" fehlt mehr als die literarische Qualität von Shakespeare.

* Die Autorin ist Österreich- Berichterstatterin für den Eurobarometer

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