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Ausstellungen auf dem Mond
Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder sind der Wahlsalzburger Pfeifer-Watenphul, der Belgier Masereel und der Mexikaner Tamaye von gestern auf heute französische Staatsbürger geworden, entweder ist ein Holzschnitt Masereels kein Holzschnitt, sondern eine Lithographie — oder der Titel der neuesten Würthle-Ausstellung „Lithographien französischer Künstler ier Gegenwart“ ist in all seiner Entschiedenheit ganz und gar falsch.
Da es uns aber leichter fällt, einen Holzschnitt für einen Holzschnitt als Masereel für einen Franzosen zu halten, entscheiden wir uns für die zweite Möglichkeit. Das zwingt uns freilich zu dem Schluß, daß diese Ausstellung schlampig zusammengebastelt ist und dem Publikum ungefähr so lieblos begegnet, wie das Wiener Publikum gemeiniglich modernen Ausstellungen. (Was aber keine Entschuldigung ist.)
Dessenungeachtet kann man hier, bei Würthle, einige prächtige Lithographien von Fernand Leger sehen — Abschnitzel aus einem größeren Oeuvre, von denen aber etliche Kunstschulen noch immer satt werden könnten; etliche Blätter, auf denen spanische Sonette von Picasso stehen, die einem leider auch spanisch bleiben — man hätte immerhin eine Prosaiibersetzung dazu auftreiben können; zwei sehr schöne expressionistische Lithographien C 1 a v e s ; eine farbige Radierung von Georges R o u a u 11; einige nicht sehr charakteristische Beispiele für die Kunst Jacques Villons, Max Emsts und Dufys, und schließlich ziemlich viele Blätter, die es als sicher erscheinen lassen, daß auch beiderseits der Seine bisweilen mit Wasser gekocht wird. ■
„In solcher Dichte würde ein ähnlicher Quer-schnitt in Wien noch nicht gezeigt“, steht am Ende des Waschzettels, den der Besucher dieser Ausstellung erhält. Aha: jetzt wissen wir's: Masereel ist ein Franzose, ein Holzschnitt i s t eine Lithographie — und die Albertina liegt auf dem Mond...
Dennoch: jubeln wollte der Kritiker, fände er gelegentlich unter den Aquarellen, Zeichnungen und Pastellen der Wiener Kunstvereine auch einmal eine Farblithographie; wäre sie auch nicht halb so gut wie eine zweitklassige aus Paris, man könnte doch froh sein darüber. Die Farblithographie hat sich seit Jahrzehnten die Ateliers außerhalb Oesterreichs erobert, sie macht der Oel-Ieinwand schon längst den Rang streitig, sie ist zu einem der wichtigsten künstlerischen Aus-diucksmittel geworden — aber in der Wiener Akademie der bildenden Künste gibt es im Jahre 1953 noch keine Lithographie-Werkstätte, während es in der Akademie der angewandten Künste zwar eine Lithographiepresse, dafür aber keine Lithographie färben gibt..,
In der frühjährlichen Graphik-Schau der „Gemeinschaft bildender Künstler“ sind also natürlich auch keine Lithographien, wohl aber erstaunlich viele Zeichnungen, Aquarelle und Pastelle zu sehen, die es durchaus verdient hätten, unsichtbar zu bleiben. Wir haben jener tapferen kleinen Künstlergenossenschaft schon zu oft unsere ehrlichen Sympathien ausgedrückt, um jhr jetzt nicht ebenso ehrlich sagen zu müssen, daß wir über diese ihre Ausstellung am liebsten gar nicht berichtet hätten. Wir tun es nur, um darauf hinzuweisen, daß die Aquarelle Franz Wlcek* und Franz Horvaths und eine Zeichnung „Salzburg“ von Arthur Suehs den “Rest' des Gebotenen turmhoch überragen. Aber das genügt nicht — wir sagen es noch einmal — um die schwere Konkurrenz mit den großen Verbänden bestehen zu können.
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