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Die Furche: Welchen Einfluss hatte die "Informationsbüroaffaire" (s. Haupttext) von 1948 auf die Entwicklung der Kunst im damaligen Jugoslawien?

Branka Stipanci´c: Das Informationsbüro der Kommunistischen Partei wurde 1947 eingerichtet und sollte den Einfluss der UdSSR auf die anderen kommunistischen Länder stärken. Der Kommunistischen Partei Jugoslawiens wurde vorgeworfen, von der Marxistisch-Leninistischen Ausrichtung abzuweichen, und Jugoslawien wurde aus dem Block der Kommunistischen Länder ausgeschlossen. Für die Kunst bedeutete dies weniger Druck von Seiten der kommunistischen Ideologie, sodass zum Beispiel die Periode des "Sozialistischen Realismus" nur kurz währte. Weil die Kommunistische Partei Jugoslawiens aber auch die Trennung von der UdSSR betonen wollte, unterstützte sie die zeitgenössische Kunst. In den frühen fünfziger Jahren tauchte neben der figürlichen Malerei auch die Gruppe "Extra 51" auf, die sich der geometrischen Abstraktion verschrieben hatte, am Ende des Jahrzehnts dann informelle Strömungen und die "Gorgona" Gruppe, die eine Anti-Kunst vertrat.

Die Furche: Wie würden Sie die Rolle Zagrebs als kulturelles Zentrum von der Nachkriegszeit bis heute beschreiben?

Stipancic: Die kulturelle Szene war sehr lebendig, obwohl die ökonomische Basis dünn und die Menschenrechte gefährdet waren. Sobald man frei reisen konnte, entwickelte sich Zagreb zu einem Zentrum internationaler Events zeitgenössischer Kunst. 1961 wurde eine Musikbiennale gegründet, zu der nicht nur Schostakowitsch kam, sondern auch große Namen von der anderen Seite des "Eisernen Vorhangs", wie etwa John Cage. Unter dem Titel "Neue Tendenzen" fanden zwischen 1961 und 1973 Ausstellungen und Symposien in der Galerie für Moderne Kunst statt. Zu Beginn dominierten dort monochrome Richtungen, später dann Neokonstruktivismus, kinetische Kunst und Konzeptkunst. Mit "Geff" etablierte sich ein Genrefilmfestival im Anschluss an die Traditionen von Anti-Film und strukturalistischem Film. Zagreb wurde für seine Trickfilmstudios bekannt. Heutzutage gibt es in Zagreb Festivals für modernes Theater, für Tanz, für Film und die Musik Biennale. Im Bereich der bildenden Kunst erweist sich das Kuratorenteam "Was Wo und für Wen" als sehr umtriebig, und auch ein Museum für Moderne Kunst wird gebaut.

Die Furche: Wie schätzen Sie das doch beträchtliche Interesse des Westens an der "Östlichen Kunst" ein?

Stipancic: Heute werden Kunstschaffende aus unserer Region weltweit zu Ausstellungen eingeladen, was aus meiner Perspektive auch höchste Zeit war. Es gibt aber bis heute keine umfassende Forschung über den Status der Kunst in unseren Ländern und noch immer Kuratoren, die in drei Tagen Spezialisten in "Östlicher Kunst" werden möchten! Insgesamt hat sich die Situation der Kunstschaffenden in den letzten zehn Jahren erheblich gebessert. Es tut gut, wenn man sieht, dass in den berühmten Museen nun auch Namen wie Juliús Koller, Julije Knifer, Stano Filko, Jon Grigoresku, Tibor Hajaš, Jirži Kovanda, Edward Krašinski oder Sanja Ivecovi´c auftauchen, die dort bislang ungerechtfertigterweise ausgeschlossen waren.

Branka Stipanci´c ist Kunstwissenschafterin und Kuratorin in Zagreb.

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