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Meisterdramen in neuer Fassung

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MEISTERDBAMEN. Von Jean Anouilh. Langen-Müller Verla?, München-Wien, 384 Seiten. DM 16.80.

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MEISTERDBAMEN. Von Jean Anouilh. Langen-Müller Verla?, München-Wien, 384 Seiten. DM 16.80.

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Mit Ausnahme von „Becket oder die Ehre Gottes“ sind die vier übrigen Theaterstücke — Antigone, Einladung ins Schloß, Jeanne oder die Lerche und Majestäten —, die in diesem Band zusammengefaßt sind, bereits in den sieben Bänden von Anouilhs Gesamtausgabe erschienen, die derselbe Verlag besorgt hat. Der vorliegende bringt also kein neues Stück heraus: er beabsichtigt nur eine Auswahl, immerhin aber, wenn man dem Titel Glauben schenkt, die „Meisterdramen“ des erfolgreichen französischen Theatermannes, dem Leser vorzulegen. Waren die einzelnen Bände der Gesamtausgabe mit aufschlußreichen Vorworten von u. a. S. Melchinger, G. F. Hering, G. Hen- sel versehen, so begnügt sich nun der Verlag, Titel und Auswahl durch einen summarischen Klappentext zu erläutern, dessen Formulierungen manchmal das endgültige Urteil der Literaturgeschichte „großzügig“ vorwegnehmen. Ob Anouilh erst mit „Antigone“ (1942) „sein erstes Meisterwerk“ geschrieben hat, könnte man bezweifeln: denn „Der Passagier ohne Gepäck“ (1937) oder „Die Wilde (Das Mädchen Therese)“ (1938) bildeten schon in ihrer typisch Anouilhschen Art technisch vollendete Stücke, in denen der Autor bereits seine Bühnensprache und die Virtuosität des Dialogs souverän beherrschte. Es ist darüber hinaus noch schwer zu beurteilen, ob der durchschlagende Erfolg von Anouilhs Theater auf allen europäischen Bühnen während der zwei letzten Jahrzehnte. ihn endgültig zu einem „Klassiker der Moderne“ stempelt, und ob seine „berühmtesten Dramen“, die zweifellos „für sein Schaffen charakteristisch“ sind, tatsächlich „schon heute zum bleibenden Bestand der dramatischen Weltliteratur gerechnet werden dürfen“. Scribe und Sardou waren zu ihrer Zeit ebenso ausgezeichnete und er folgreiche Theaterschriftsteller im 19., Porto-Riche und Bernstein in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts: aus ihrem Gesamtschaffen sind nur sehr wenige Stücke in Erinnerung geblieben und als „Meisterdramen“ zu bezeichnen. Jean Anouilh, dessen stupendes Metier und feiner psychologischer Spürsinn unbestreitbar sind, wollte vor allem ein guter Autor für das Boulevardtheater sein und zwischen Girau- doux, dem er viel verdankt, und den

Ideendramen des Existentialismus, mit dem er sehr geschickt kokettiert hat, seinen wahren Platz bewahren: weltanschauliche Ambitionen hatte er höchstwahrscheinlich keine und deshalb keinen Ehrgeiz, aus einem echten, qualitativ sehr hoch stehenden „Vergnügungstheater“ ein hochtrabendes „Welttheater“ zu machen.

Solche Bemerkungen wollen aber gar nicht Anouilhs Theater Abbruch tun, noch weniger der Zweckmäßigkeit und der ausgezeichneten Ausstattung des vorliegenden Bandes seiner „Meisterdramen“. Mit Ausnahme von „Einladung ins Schloß“, von Helmut Käutner übersetzt, hat Franz Geiger die Übertragung ins Deutsche der übrigen Stücke einwandfrei besorgt. Ein vortreffliches Geschenk für junge oder alte Theaterliebhaber.

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