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Allerheiligen von Forkasrėt

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„Wie gefällt Ihnen die Kirche?” Der Priester beherrscht die deutsche Sprache, der ungarische Akzent wirkt sympathisch. Die Antwort ist keine höfliche Floskel, sie kommt aus vollem Herzen: „Es ist die schönste moderne Kirche, die ich kenne!” - „Das hat Ihr Kardinal König bei der Einweihung in unser Gästebuch geschrieben!” freut er sich.

Was ist das Einmalige an dieser Friedhofskapelle in Forkasrėt, einem Außenbezirk Budapests? Warum erinniert sie an gotische Dome, mit denen der Bau doch gar keine Verwandtschaft zeigt? Was unterscheidet dieses Gotteshaus von anderen Betonkirchen unserer Zeit?

Die vielzitierte „steingewordene Frömmigkeit” ist hier in Beton gegossen. Sie wirkt so unmittelbar, daß man in ihren Bann geschlagen wird.

Am Abend vorher waren wir mit Freunden im Hilton auf der Burg. Die Architektur der Hilton-Hotels begeistert selten: in Budapest fasziniert sie. Mittelalterliche Gewölbe sind organisch in den Bau aufgenommen, im dunklen Glas der Fenster spiegelt sich die Matthias-Ka- thedrale, ihr Bild bricht sich, wird neu zusammengesetzt, ergibt einen modernen Bau der Gotik. Das Hilton ist das Werk eines berühmten Architekten, Stefan Szäbö, mit vielen Preisen ausgezeichnet, auch mit dem Grand Prix , der Brüsseler Weltausstellung.

Dann stehen wir vor der Fri^d- hofskapelle in Forkasrėt. Die ein zige moderne Kirche in Ungarn, erbaut aus den Spenden der Gläubigen, geschaffen von Stefan Szäbö, dem berühmten Architekten.

Szäbö ist Mitglied des Kirchenrates, er hat sein Können der Kirche geschenkt. Er wirkte nicht nur als Architekt und Bauleiter, sondern auch als Bildhauer und Maler. Jedes Detail trägt seine Handschrift, von ihm wurde der Kelch ebenso entworfen wie die Meßbuchständer. Szäbö hat auch die 130 Quadratmeter großen Glasfenster von tiefer Symbolkrąft gestaltet: Das letzte Abendmahl, die Pieta und Christus als Weltenherrscher und Sieger über das Böse, dargestellt durch Skorpione. Die Kapelle ist allen Heiligen geweiht, eine Wand der Glasfenster nehmen die Heiligen ein, namenlos, ohne besondere Attribute, nur symbolisiert durch Augen und Hände, Anschauung und Handeln.

Die Tür des Tabernakels in brennendem Rot ist zugleich das Ewige Licht, sie trägt den aus Kupferband gebogenen, stilisierten Corpus des Gekreuzigten.

Aus all den Einzelheiten, bis ins Letzte durchdacht und aufeinander abgestimmt, ergibt sich eine gewaltige Einheit, ein Kunstwerk. Zweckmäßig in jeder Kleinigkeit - sogar die Akustik ist so eingesetzt, daß die Worte von der Kanzel einen kurzen Nachhall haben, der Gesang vom Chor einen langen. Kein kalter Zweckbau, ein mitreißender Lobpreis des Herrn.

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