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Anti-Politiker

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Gustav Husdk ist abgetreten und Vaclav Havel folgt ihm vielleicht als Präsident der CSSR. Der Schriftsteller als Staatsoberhaupt - warum nicht?

Mit Husdk verschwindet ein Mann von der politischen Bühne, der wie Gomulka in Polen und Kdddr in Ungarn als Kommunist von Kommunisten eingesperrt worden war: Fast zehn Jahre verbrachte er als „slowakischer Nationalist“ im Gefängnis. Während des „Prager Frühlings“ 1968 schien er zunächst mit den Reformkommunisten zu sympathisieren und plädierte für Demokratisierung, etwas später wurde er zum willfährigen Werkzeug Moskaus und zog die „Normalisierungspolitik“ radikal durch. Ein intelligenter, skrupelloser Machtpolitiker, der hoffentlich einer aussterbenden Gattung angehört.

Wenn Vaclav Havel Präsident werden sollte, würde das nicht nur einen Generationenwechsel signalisieren (Husdk ist 76, Havel 53) - viel entscheidender ist, daß der Dramatiker Havel nie Kommunist war; er durfte wegen „schlechter Klassenherkunft “ nicht einmal studieren und seit 20 Jahren sind seine Bücher in der CSSR verboten.

Was aber auch für uns im Westen das Experiment Havel interessant machen würde, ist die Tatsache, daß der Schriftsteller Havel ein Politiker wider Willen ist, er vertritt das, was György Konrdd „Anti-Politik “ nennt - eine ganz andere Politik.

Havel hat einmal gestanden, daß er über seinen Ruf manchmal lächeln müsse, und gab dann eine Schilderung seiner Persönlichkeit: Er fürchte sich ständig vor etwas und sein Mut, sein Durchhaltevermögen kämen eigentlich aus der Angst: „Nämlich der Angst vor dem eigenen Gewissen, das mich so gern quält für wirkliches und eingebildetes Versagen.“

Der Aufrührer Havel ist in Wahrheit scheu und schamhaft; der Kämpfer ist auch ein Träumer - und der Mann, der so vielen Hoffnung gibt, sehnt sich selbst ständig nach Aufmunterung, leidet an Depressionen und war im Gefängnis alles andere als ein Held: „Ein wenig wie ein Kind, immer schon im voraus erschrocken und mit aufgerissenen Augen, verwirrt gegenwärtig auf dieser Erde, das Leben fürchtend und ewig an der Echtheit seiner Verankerung in der Ordnung der Dinge zweifelnd, habe ich das Gefängnis wohl schwerer ertragen, als die Mehrheit derer es ertragen hätte, die mir ihre Anerkennung aussprechen.“

Der Träger eines Friedenspreises, ein Mensch, der unter seinem Gewissen leidet, ein Schreiber, der jetzt zu den Massen redet - einmal ein solcher Mann an der Spitze eines Staates, das wäre eine wirkliche Revolution.

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