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Beim Wort genommen

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Der lavaspeiende Vulkan auf den Philippinen hat - so war es in den Nachrichten zu hören - die Evakuierung eines Militärstützpunktes „erzwungen". Natürlich dürfen Soldaten nicht einfach davonlaufen, fliehen, rennen wie die Einheimischen. Die komplizierten Waffen, Panzer, Flugzeuge, die Kommunikationseinrichtungen müssen evakuiert werden, das ganze Hab und Gut des Militärstützpunktes, nicht nur das persönliche der stationierten Truppen. Obwohl der Vulkan die Evakuierung erzwungen hat, ist es zu keiner Flucht gekommen, sondern zu einer Räumung oder einer Verlegung, die Kampfhandlung des Vulkans brauchte eine disziplinierte Antwort. Ohne Disziplin wäre ein Krieg nicht mehr denkbar, nicht einmal eine Niederlage.

Tausende Kilometerentfernt, in den USA, ereigneten sich die Militärparaden. Diese Paraden und Siegesfeiern sind, wie ich ebenfalls den Nachrichten entnommen habe, „auf Kritik gestoßen".

Man kann sich vorwärtsbewegen und auf ein Hindernis stoßen, einen entsprungenen Sträfling suchen und auf eine Spur, einen Hinweis stoßen, man kann eine Tiefgarage bauen wollen und beim Graben auf eine römische Siedlung stoßen, ein Angriffkann auf Gegenwehr stoßen, ein Einmarsch auf Widerstand.

Daß die Veranstalter der Siegesfeiern auf der Suche nach Kritikern sind, kann man ausschließen, auch daß sie mit Kritik nie gerechnet hätten und nun überrascht oder gar betroffen umdenken, eine Parade absagen oder sich bei jemandem entschuldigen, kann man unbeachtet lassen, das Sprachbild meint etwas anderes.

Die Siegesfeiern ereignen sich im eigenen Land, weit weg von irgendwelchen Bedrohungen, das Gelände muß nicht entmint werden, niemand wird gefangengenommen oder umgebracht, wenn er sich zu laut freut, nichts mehr kann schiefgehen. Aber war eigentlich bei uns im Femsehen ein freudestrahlender Soldat zu sehen, ein einfacher Soldat, hat man da einen siegesfreudig strahlend gezeigt? Bei uns ist die Angst offen umgegangen, und wir fürchten uns immernoch.

Wirklich nur Phantasie?

Ich sehe - phantasierend - eine endlose Kolonne amerikanischer Truppen sich mit ihren Waffen durch irgendein Gelände vorwärtsbewegen. Vom an der Spitze des Zuges steht ein amerikanischer Präsident in einem offenen Wagen und blickt unerschütterlich voraus. Der Heerzug bewegt sich diszipliniert vorwärts, bis ein Vulkan ihm drohend und erpresserisch glühende Lava in den Weg schleudert. Der Präsident versucht, an Lavamassen und Rauch vorbeizu-spähen, voraus ins dritte Jahrtausend, einfach ist das nicht, aber irgendwo dort muß doch die neue Weltordnung liegen.

Schließlich läßt er die Truppen halten, winkt aus den rennenden Einheimischen einen alten Mann zu sich an den Wagen und fragt: „Wie geht es hier eigentlich weiter in Richtung Wahrheit?" Kein Zweifel, daß er sich versprochen hat, aber der Alte scheint verstanden zu haben, deutet in die Richtung, aus der der Heerwurm kommt, und rennt weiter. Der Präsident ruft seine Berater zu sich. „Erste Frage: Kann man den Vulkan verlegen? Wir brauchen dringend einschlägige Szenarios, bis morgen, und eine detaillierte Kostenschätzung derecht-amerikanischen Variante für die Diskussion. Zweitens: Stellen Sie fest und berichten Sie mir, wo wir hier eigentlich sind. Drittens: die Einheimischen fallen unterdie Nachrichtensperre, und alles andere bis auf weiteres auch. Treiben Sie ein Kinderprogramm mit Vulkanausbruch auf, für den Emstfall, irgendetwas müssen wir unbedingt freigeben. Alles andere besprechen wir morgen,"

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