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Die Kandidaten

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Persönlich sympathisch, außenpolitisch unerfahren, kein Held im klaren Wort in harter Stunde, konfessionslos, konsensbedacht: Kurt Steyrer.

Distanziert wirkend, im kleinen Kreis gewinnend, welterfahren, innenpolitikentwöhnt, unverbindlich formulierend, katholisch, konsensbedacht: Kurt Waldheim.

Die zwei Hauptkandidaten unterscheiden sich voneinander nur sehr schwach. Wen also soll man wählen?

Die Konfessionslosigkeit Steyrers wird kirchenbewußte Österreicher vermutlich milde irritieren — die Mehrheit der Wähler sicher nicht. Der stärkeren Fähigkeit Steyrers zu zwischenmenschlichen Kontakten steht die unbestreitbar größere Erfahrung Waldheims im Umgang mit Weltproblemen gegenüber. Wird diese ausschlaggebend sein?

Natürlich ist da auch noch die Freda Meissner-Blau. (Otto Scrinzi darf vergessen werden.) Die Jeanne d'Arc der Grünen wäre — dos darf man sagen, ohne ihr unrecht zu tun — kein geeignetes Staatsoberhaupt. Aber als Protestsymbol gegen die alten Gesichter, Programme und Praktiken der etablierten Parteien sollte man sie nicht unterschätzen. Und nicht denken, sie ziehe Protestwähler nur von den Sozialisten ab. Es haben auch genug Bürger, die von der ÖVP genug haben, eine Rechnung mit ihrer Stammpartei zu regeln.

So viele Stimmen, wie der Dritte-Lager-Kandidat Hugo Breitner 1951 hatte (rund 600.000), wird Meissner sicher nicht bekommen — mehr als 1980 Norbert Burger (140.000) kriegt sie ganz bestimmt.

Spätestens im zweiten Wahlgang wird eine Entscheidung zwischen Kurt W. und Kurt S. fallen. Und gewollt oder nicht, wird es auch eine eminent parteipolitische Entscheidung sein.

Gewinnt Steyrer, ist die SPO aus ihrem Tief herausgeholt. Die Funktionäre werden wieder Mut schöpfen, mit neuer Hoffnung in den Nationalratswahlkampf gehen. Die Parteiführung wird die Schlacken der Skandale abschütteln, neuen Schwung gewinnen, während der ÖVP-Parteiapparat erneut in dumpfe Verzweiflung stürzen und lendenlahm, also chancenarm, in den nächsten Wahlkampf gehen wird.

Gewinnt erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik der von der ÖVP namhaft gemachte Kandidat, wird dessen Erfolg die ÖVP-Funktionäre gewaltig beflügeln. Stimmungsmäßig geht die Volkspartei mit Waldheim als Sieger in Hochform auch in die Natio-nalratswahlentscheidung.

Auch das müssen die Wähler wissen.

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