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Reue und die Bitte um Verzeihung für Fehler sind dieser Tage ein wichtiges Thema. Die deutsche Bundeskanzlerin bat um Verzeihung für einen fehlgeleiteten Beschluss zu neuen Corona-Einschränkungen. Für das Christentum bedeuten Fastenzeit, Kar- und Ostertage ein verstärktes Nachdenken über Buße und Erlösung. Im Judentum haben diese Themen um Jom Kippur im Herbst herum Konjunktur, wenn Gott der Tradition zufolge besonders empfänglich für menschliche Reue ist. Gerade jetzt hat in meinem Kollegenkreis der Fall eines über sexuelle Belästigung gefallenen Forschers zum amerikanischen Judentum die Frage der Reue wieder zu einem heißen Thema gemacht.

Die religiöse Tradition verwendet für das Thema den hebräischen Begriff Tschuwa. Er bedeutet zunächst Rückkehr: in die Gemeinschaft mit Gott und den Menschen, so wie das Christentum Sünde als eine Form von Gottferne versteht. Auch wenn sich ein säkularer Jude zu einem religiösen Lebenswandel entscheidet, spricht man von einer solchen Rückkehr. Aber Tschuwa heißt auch „Antwort“, wieder in mehrfachem Sinne. Mit diesem Wort werden die formalen Antworten von Rabbinern auf Fragen zum Religionsgesetz bezeichnet. Diese auch „Responsa“ genannten Schriften reichen von theologischen Fragen und ethischen Überlegungen bis zur praktischen Rechtsauslegung in Alltagsfragen.

Für den Menschen, der sich durch sein Verhalten aus der Gemeinschaft mit Gott oder seinen Mitmenschen ausgeschlossen hat, bedeutet dies: Er muss antworten, sich dazu verhalten. Der jüdischen Tradition zufolge erfordert dies, den Fehler einzugestehen, sich zu entschuldigen, Wiedergutmachung anzubieten und an der eigenen Besserung zu arbeiten. Dabei gilt es als ausgemacht, dass es unendlich viel schwieriger ist, einem Menschen so zu antworten als Gott.

Der Autor forscht zu Jewish Studies an der University of Pennsylvania, Philadelphia/USA.

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